Versicherungen dürfen ihre Kunden nicht zu einer pauschalen Gesundheitsauskunft verpflichten. Auch bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung muss Versicherten die Möglichkeit zur informationellen Selbstbestimmung verbleiben. Dies entschied das BVerfG in einem am Dienstag bekannt gewordenen Beschluss.
Die Klägerin wollte ihre Berufsunfähigkeitsversicherung wegen Depressionen in Anspruch nehmen. Da Tarifbedingungen die Versicherung dazu ermächtigten, umfassend Auskunft über den Gesundheitszustand der Versicherten einzuholen, sollte die Frau eine pauschale Schweigepflichtentbindungserklärung unterzeichnen. Sie weigerte sich jedoch und bot stattdessen an, Einzelermächtigungen für jedes Auskunftsersuchen zu erteilen.
Die Versicherung übersandte ihr daraufhin vorformulierte Erklärungen zur Schweigepflichtentbindung ihrer Krankenkasse, zweier Ärztinnen und ihrer Rentenversicherung. Diese sollten "umfassend" zur Auskunftserteilung über "Gesundheitsverhältnisse, Arbeitsunfähigkeitszeiten und Behandlungsdaten" sowie im Fall der Rentenversicherung über die "berufliche Situation" ermächtigen. Auch diese Erklärung unterschrieb die Frau nicht und bat um weitere Konkretisierung der gewünschten Auskünfte. Dem kam die Versicherung nicht nach.
Ihre Klage auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente lehnten die Zivilgerichte ab. Es sei der Frau möglich gewesen, das Auskunftsverlangen selbst weiter einzuschränken oder die in den Einzelermächtigungen genannten Unterlagen selbst zu beschaffen und der Versicherung vorzulegen. Gegen diese Entscheidungen legte sie erfolgreich Verfassungsbeschwerde ein.
BVerfG: Schweigepflichtentbindung zunächst nur für Vorinformationen
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied, dass auch die vorformulierten Einzelermächtigungen zu allgemein gehalten waren und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht ausreichend Rechnung trugen. Sie gingen über das hinaus, was für die Abwicklung des Versicherungsfalls erforderlich sei. Es sei der Klägerin auch nicht zumutbar, die vorformulierten Einzelermächtigungen selbst zu modifizieren oder die erforderlichen Unterlagen eigenständig vorzulegen. Damit würde dem Versicherten auferlegt, die Interessen der Versicherung zu erforschen, so die 3. Kammer des Ersten Senats.
Der Gesetzgeber habe zwar inzwischen eine Regelung zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Versicherungsnehmer getroffen. Diese Vorschrift finde jedoch auf den hier vorliegenden Altfall keine Anwendung. Es sei deshalb Aufgabe der Zivilgerichte selbst gewesen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch einen angemessenen Ausgleich mit dem Offenbarungsinteresse des Versicherungsunternehmens zu gewährleisten. Die angegriffenen Entscheidungen seien diesen Anforderungen nicht gerecht geworden und hätten den Belangen der Versicherten nicht ausreichend Rechnung getragen.
Zwar müsse die Versicherung den Eintritt des Versicherungsfalls prüfen können. Andererseits müsse die Übermittlung von persönlichen Daten auf das hierfür erforderliche Maß begrenzt bleiben. Die Versicherung werde deshalb nicht unverhältnismäßig belastet, wenn die Schweigepflichtentbindung sich zunächst nur auf Vorinformationen beschränkt. Sie müsse sich auf solche Auskünfte beschränken, mit denen sie feststellen kann, welche Informationen tatsächlich für die Prüfung des Leistungsfalls relevant sind. Die Anforderungen an diesen Dialog festzulegen und ihn auszugestalten, zähle zu den Aufgaben der Zivilgerichte (Beschl. v. 17.07.2013, Az. 1 BvR 3167/08).
Die Karlsruher Richter hoben die Entscheidungen auf und verwiesen den Fall zur erneuten Entscheidung zurück.
Der Beschluss betrifft einen älteren Fall - seit 2008 gibt es eine Regelung zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Versicherungsvertragsgesetz.
asc/LTO-Redaktion
Mit Material von dpa.
BVerfG zum Gesundheitsdatenschutz: . In: Legal Tribune Online, 13.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9343 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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