Eine Patientin hat sich vor dem BVerfG erfolgreich gegen die eingestellten Ermittlungen gegen das Krankenhauspersonal gewehrt, das sie zu Unrecht an ein Bett fixiert hatte. Ihr sei eine effektive Strafverfolgung verwehrt worden.
Wegen der rechtswidrigen Fixierung einer Patientin am Uniklinikum Kiel hätte die Staatsanwaltschaft weiter gegen zwei Ärzte und einen Pfleger ermitteln müssen. Die Sache sei nicht hinreichend aufgeklärt worden, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss, nachdem die Frau Verfassungsbeschwerde erhoben hatte (Beschl. v. 15.01.2020, Az. 2 BvR 1763/16).
Die Frau war 2012 vom Pferd gestürzt und mit Gedächtnislücken und Schmerzen in die Klinik gekommen. Am Folgetag verließ sie entgegen ärztlichem Rat das Klinikgebäude. Mit vom Stationspersonal herbeigerufenen Polizeibeamten einigte man sich schließlich darauf, zur Klärung der Angelegenheit auf die Station zurückzukehren. Dort wurde sie vom beschuldigten Stationsarzt, einem Pfleger und den Polizeibeamten unter Anwendung körperlicher Gewalt ins Bett verbracht und an den Armen, den Beinen sowie im Hüftbereich fixiert. Der Stationsarzt ordnete kurz darauf die vorläufige Unterbringung, längstens bis zum 8. Juli 2012, 24:00 Uhr, auf der Intensivstation an. Mit Beschluss vom 7. Juli 2012 ordnete die ebenfalls beschuldigte Richterin am Amtsgericht die weitere Unterbringung im Krankenhaus bis zum Ablauf des 8. Juli 2012 an. Es bestehe eine erhebliche Eigengefährdung.*
Die Beamten überredeten die Frau, auf die Station zurückzukehren. Als sie dort ankam, waren an ihrem Bett schon Fixiergurte angebracht. Der Stationsarzt, ein Pfleger und ein Polizist fesselten sie mit Gewalt ans Bett. Der Amtsarzt und im Anschluss eine Richterin ordneten danach an, die Betroffene für einen weiteren Tag in der Klinik unterzubringen*. Später stellten die Fachgerichte fest, dass das rechtswidrig war. Die Frau erstattete Strafanzeige, die Ermittlungen wurden aber eingestellt.
Effektive Strafverfolgung muss Folgen der Fixierung für Patientin berücksichtigen
Zu Unrecht, entschieden nun die Verfassungsrichter. In einem Fall wie diesem könne der Verzicht auf eine effektive Strafverfolgung das Vertrauen in das Gewaltmonopol des Staates erschüttern.
Dem Beschluss zufolge hätte der Sachverhalt von den Strafverfolgungsbehörden weiter aufgeklärt werden müssen. Die Ermittler hätten sich insbesondere mit den Folgen des Vorfalls für die Patientin auseinandersetzen müssen. Dessen Ausmaß sei nämlich bei Personenschäden besonders zu berücksichtigen gewesen. Der 2. Senat kritisiert, dass weder die Staatsanwaltschaft noch die Gerichte, vor denen die Frau die Einstellung der Ermittlungen angegriffen hatte, diesem Aspekt "auch nur ansatzweise Bedeutung beigemessen" hätten.
Verfassungswidrig sei es ferner gewesen, den Klageerzwingungsantrag der Frau als unzulässig zu verwerfen. Insofern habe das letztinstanzliche Gericht seinen verfassungsrechtlichen Kontrollauftrag verkannt. Es hätte neben den prozessualen Voraussetzungen nämlich auch wohl prüfen müssen, ob ein öffentliches Verfolgungsinteresse vorliege, so die Verfassungsrichter weiter. Das hatte es nicht getan.
Das Schleswig-Holsteinische OLG muss sich nun erneut mit dem Fall befassen. Dort hatte sich die Frau zuletzt erfolglos gegen die Verfahrenseinstellung gewehrt.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Anm. d. Red.: Gesamte Darstellung des Sachverhalts geändert am 29.01.2020, 11:43 Uhr (pl).
BVerfG zur Strafverfolgung: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39823 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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