BVerfG zu Widerrufsrecht bei Versicherungsverträgen: Ver­fas­sungs­be­schwerde gegen ewiges Wider­rufs­recht erfolglos

14.07.2016

Die Aachen Münchener Lebensversicherung ist mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen ein "ewiges Widerrufsrecht" in Karlsruhe gescheitert. Das BVerfG nahm die Beschwerden nicht zur Entscheidung an, wie es am Donnerstag in Karlsruhe mitteilte.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsbeschwerden gegen zwei BGH-Urteile zum "ewigen Widerrufsrecht" bei Lebensversicherungen der Aachen Münchener mit zwei jetzt bekannt gewordenen Beschlüssen nicht zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 23.05.16, Az. 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15)

Der Versicherer hatte sich gegen Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) wehren wollen, die Kunden bei fehlerhaften Belehrungen ein "ewiges" Recht zum Widerruf bei Lebensversicherungen eingeräumt hatten (Urt. v. 29.07.2015, Az. IV ZR 448/14, IV ZR 384/14). Das gab diesen die Möglichkeit, auch Jahre später noch günstig aus ihrem Vertrag herauszukommen.

Zum Zeitpunkt, zu dem die Versicherungsverträge abgeschlossen wurden, war nach § 5a Abs.2 S.4 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) a.F. die Frist für einen Widerruf auf ein Jahr beschränkt - auch für den Fall einer fehlerhaften Belehrung. Die Versicherungsnehmer hätten nach dieser Regelung mit Ablauf der Jahresfrist an die Verträge gebunden werden müssen.

Den BGH-Urteilen nach durfte diese Vorschrift jedoch nicht auf Lebensversicherungen angewendet werden. Grund sei das Europarecht: Die Regelung des § 5a Abs.2 S.4 VVG a.F. sei richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung (90/619/EWG und 92/96/EWG) keine Anwendung finde und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbestehe. Und zwar auch dann, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden sei oder die Verbraucherinformationen oder Versicherungsbedingungen nicht erhalten habe.

Gegen diese Auslegung hatte das BVerfG nichts einzuwenden. Die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung seien nicht überschritten. Der BGH habe davon ausgehen dürfen, dass der Gesetzgeber die europarechtlichen Vorgaben für Lebensversicherungen ordnungsgemäß in deutsches Recht umsetzen wollte. Die Jahresfrist für Widersprüche wäre mit diesem Ziel nicht vereinbar gewesen. Daher entspreche es dem Willen des Gesetzgebers, die Frist auf andere Versicherungen als Lebensversicherungen zu beschränken, wie es der BGH getan habe.

dpa/nas/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zu Widerrufsrecht bei Versicherungsverträgen: . In: Legal Tribune Online, 14.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20009 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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