Die Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht beim Erwerb von Firmen oder Firmenanteilen verstößt gegen den Gleichheitssatz, so das BVerfG. Betroffene würden durch die Norm strukturell benachteiligt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage, eine Ausnahme bei der Grunderwerbsteuer, für verfassungswidrig erklärt. Dabei geht es um die Besteuerung beim Erwerb von Firmen oder Firmenanteilen. Die Regeln seien mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar, bestimmten die Karlsruher Richter in dem am Freitag veröffentlichten Beschluss (v. 23.06.2015, Az. 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11).
Geklagt hatten eine amerikanische Körperschaft und eine deutsche GmbH. Beide hatten in der Vergangenheit – 2001 bzw. 2002 - andere Gesellschaften bzw. Anteile an diesen gekauft, zu deren Gesellschaftsvermögen auch bebaute sowie unbebaute Grundstücke gehörten. Sie hatten gegen ihre jeweiligen Grunderwerbsteuerbescheide vor den Finanzgerichten geklagt und dort zunächst verloren. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte die Ausgangsverfahren zur Klärung der nun entschiedenen Frage vor dem BVerfG ausgesetzt.
Grundsatz der Lastengleichheit bei Grundstückskauf
Grunderwerbsteuer wird beim Kauf eines Grundstücks oder einer Eigentumswohnung fällig. Regelbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) der Wert der Gegenleistung, insbesondere der Kaufpreis. Anders ist es jedoch, wenn der Verkehrswert eines Grundstücks nicht bestimmt werden kann, etwa weil Firmen oder Anteile von ihnen gekauft werden, zu deren Gesellschaftsvermögen Grundbesitz gehört. In diesen Fällen fehlt die Gegenleistung für das Grundstück, sodass auf die Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG zurückzugreifen ist und sich die Grunderwerbsteuer nach den §§ 138 ff. Bewertungsgesetz (BewG) bemisst. § 8 Abs. 2 GrEStG sei jedoch verfassungswidrig, monierte der Bundesfinanzhof (BFH) und legte die Sache 2011 den Verfassungsrichtern vor.
Die Karlsruher Richter gaben ihren Münchner Kollegen Recht: Bringt der Gesetzgeber eine Ersatzbemessungsgrundlage zur Anwendung, muss diese, um dem Grundsatz der Lastengleichheit zu genügen, Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind. Der Ersatzmaßstab des § 8 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) führe jedoch zu einer erheblichen und sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber dem Regelbemessungsmaßstab, der an die Gegenleistung des Erwerbsvorgangs anknüpft.
Der Gesetzgeber muss die Ausnahmen nun bis zum 30. Juni 2016 rückwirkend zu 2009 reformieren. Bis zum 31. Dezember 2008 ist die Vorschrift weiter anwendbar.
Ausnahmeregel führt zu erheblicher Ungleichbehandlung
Die Karlsruher Richter begründeten ihre Entscheidung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Sie verglichen die Situation beim regulären Kauf eines Grundstücks mit der des Übergangs von Grundeigentum beim Kauf von Firmen(-anteilen), und sahen die dazwischen bestehende Ungleichbehandlung als nicht gerechtfertigt an.
Bei dem normalen Grunderwerb, auf den die Regelbemessungsgrundlage Anwendung finde, verfolgten die Vertragschließenden meist gegenläufige Interessen, sodass die Gegenleistung regelmäßig dem tatsächlichen Verkehrswert des Grundstücks entsprechen werde. Liege die vereinbarte Gegenleistung im Einzelfall deutlich darunter oder darüber, geht die Rechtspraxis jedoch davon aus, dass insoweit eine Schenkung vorliegt, die dementsprechend der Schenkungsteuer unterfällt.
Demgegenüber wichen die Werte, die nach den Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG als Ersatzbemessungsgrundlage ermittelt werden, erheblich vom Verkehrswert ab. Dies ergebe sich aus den Feststellungen im Beschluss des BVerfG vom 7. November 2006 (Az. 1 BvL 10/02), die auch in diesem Verfahren verwertbar seien.
Entscheidend hierfür sei, dass die Anwendung der Bewertungsregeln in beiden Steuerarten letztlich auf das Ziel gerichtet sei, den Verkehrswert festzustellen. Die in den §§ 146 Abs. 2, 145 Abs. 3 sowie 144 BewG angeordneten Ertragswertverfahren, die zwischen bebauten, unbebauten und land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken differenzieren, führten jedoch zu Werten, die meist zwischen 90 und 30 Prozent unter dem Kaufpreis und damit unter dem Verkehrswert lägen.
Generelle Unterbewertung nicht gerechtfertigt
Ein hinreichend gewichtiger Sachgrund zur Rechtfertigung dieser erheblichen Ungleichbehandlung sei auch nicht ersichtlich, so die Verfassungsrichter.
Die mit der Ersatzbemessungsgrundlage regelmäßig verbundenen Abweichungen vom gemeinen Wert könnten nicht mit etwaigen Lenkungs- oder Förderzielen der Bewertungsregeln gerechtfertigt werden. Offensichtlich verfolge das Gesetz bei der Regelbemessungsgrundlage nur das fiskalische Ziel, den Grunderwerb nach dem Verkehrswert zu besteuern. Dann dürfe es auch bei der Ersatzbemessungsgrundlage keinem davon abweichenden Ziel nachgehen. Vielmehr müssten die Ergebnisse beider Bemessungsgrundlagen weitgehend angenähert sein.
Die Bewertungsunterschiede ließen sich auch nicht durch den Spielraum des Gesetzgebers rechtfertigen, der zur Verwaltungsvereinfachung Sachverhalte typisieren und dafür auch auf Detailgenauigkeit im Bewertungsergebnis verzichten dürfe. Die festgestellten Bewertungsdisparitäten seien struktureller Natur.
Die Verfassungsrichter konnten sich dies nur dadurch erklären, dass die Bewertungsregeln entweder auf eine erhebliche Unterbewertung des Grundvermögens abzielten – oder die Parameter systematisch untauglich oder wertverfälschend seien und so mehr oder minder ungewollt zu Zufallsergebnissen führten.
Selbst wenn der Gesetzgeber hier eine bewusste Typisierungsentscheidung getroffen hätte, könnten die hieraus resultierenden Unterschiede aufgrund ihrer Größenordnung nicht mehr als verfassungsrechtlich hinnehmbare Vernachlässigungen der Besonderheiten des Einzelfalls anerkannt werden.
ahe/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa.
BVerfG zur Grunderwerbsteuer bei Gesellschaftskauf: . In: Legal Tribune Online, 17.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16276 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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