BVerfG zum Filesharing: Haften oder nicht haften, das ist hier die Frage

03.04.2019

Eltern dürfen verschweigen, welches ihrer Kinder über ihren Internetanschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen hat, entschied das BVerfG. Dann sei es aber auch rechtmäßig, wenn sie als Anschlussinhaber in Anspruch genommen würden.

Der grundgesetzlich verbürgte Schutz der Familie bewahrt Eltern nicht davor, selbst belangt zu werden, wenn sie ihre volljährigen Kinder beim illegalen Filesharing decken. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt sie in solchen Fällen mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss vielmehr vor die Wahl, auszusagen oder als Anschlussinhaber selbst für eine Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen zu werden. Weder der Bundesgerichtshof (BGH) noch die Vorinstanzen hätten das Prozessrecht falsch ausgelegt (Beschl. v. 18.02.2019, Az. 1 BvR 2556/17).

Damit ist ein Elternpaar aus München mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen eine Verurteilung zu Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten gescheitert, das zwar wusste, welches seiner Kinder Musikinhalte urheberrechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht hatte, dies aber im Zivilprozess nicht offengelegt hatte. Die Karlsruher Richter nahm die Beschwerde damit erst gar nicht zur Entscheidung an.

Familien- vs. Eigentumsschutz

Ein Tonträgerhersteller hatte die Eltern auf Zahlung von knapp 3.500 Euro in Anspruch genommen, weil diese im Januar 2011 Musiktitel von der Sängerin Rihanna (Albumtitel "Loud") über ihren Internetanschluss unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht haben sollen (sogenanntes Filesharing). Die Eltern bestritten jedoch, die Rechtsverletzung begangen zu haben. Sie verwiesen auf ihre drei bei ihnen wohnenden, volljährigen Kinder, die ebenfalls Zugang zu dem Internetanschluss gehabt hätten.

Die Instanzgerichte hatten die Eltern daraufhin zur Zahlung von Schadensersatz und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten verurteilt, so zuletzt BGH Anfang 2017. Die Eltern müssten zwar nicht das Familienmitglied benennen, das die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Allerdings bleibe es dann auch bei der vermuteten Täterschaft als Anschlussinhaber, so der BGH.  

Fast genau zwei Jahre später haben die Verfassungsrichter nun die damalige Auslegung der zivilprozessualen Regelungen bestätigt. Der Eingriff in Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei durch das ebenfalls gewichtige Eigentumsrecht des Rechteinhaber aus Art. 14 GG gerechtfertigt, entschied der Erste Senat.

Das "Wahlrecht", familiäres Wissen zu offenbaren

Zwar finde die Wahrheitspflicht im Zivilprozessrecht dort ihre Grenze, wo man sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigten müsste, was im Übrigen auch gelten dürfte, wenn nahe Angehörige belastet werden müssten, so die Karlsruher Verfassungsrichter. Allerdings riskierten die Eltern in so einem Fall eine ungünstige Tatsachenwürdigung, vor der auch die Verfassung nicht schütze, so das BVerfG.

Die Möglichkeit zu schweigen könne eine Haftung jedenfalls nicht ausschließen. Art. 6 GG gewähre Familienmitgliedern in einem Zivilprozess damit eine, so das BVerfG, "Wahlmöglichkeit", innerfamiliäres Wissen zu offenbaren oder dies eben auch nicht zu tun. In Abwägung mit den Rechten aus Art. 14 GG ändere ein Schweigen aber nichts an der prozessualen Darlegungs- und Beweislast. Für einen Anschlussinhaber könne es entsprechend bei der Vermutung einer eigenen Täterschaft für die Urheberrechtsverletzung bleiben, was die Instanzgerichte rechtsfehlerfrei erkannt hätten.

Der Schutz der Familie kann nach Auffassung der Verfassungsrichter nicht dazu dienen, sich aus taktischen Erwägungen der eigenen Haftung für die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums zu entziehen. Der Umstand, mit anderen Familienmitgliedern zusammenzuleben, könne im Falle des Schweigens nicht zu einem Haftungsausschluss für den Anschlussinhaber führen, heißt es in dem Beschluss.

mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zum Filesharing: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34721 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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