Die GroKo hat ihren Gesetzentwurf zu § 219a StGB vorgelegt, der in der Sachverständigenanhörung des Bundestag-Rechtsausschusses kontrovers diskutiert wurde. Dabei gab es viel Gegenwind und eher wenig Zustimmung für das Vorhaben.
Seit Monaten streitet die Republik über den § 219a des Strafgesetzbuchs (StGB), der die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Nun liegt der offizielle Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des umstrittenen Straftatbestandes vor. Noch am Montag kamen im Bundestag Experten aus Medizin, Ethik und Recht zu einer Sachverständigenanhörung zusammen. Der auch öffentlich vielfach kritisierte Kompromiss erntete dabei zwar wenig Lorbeeren, aber eben auch nicht nur Ablehnung.
Die Debatte um die Norm wird auch deshalb so hitzig geführt, da der Paragraph, so jedenfalls die Auslegung der Gerichte, nicht nur die offensive Werbung, sondern schon die schlichte Information, dass man Abtreibungen anbietet, unter Strafe stellt. Das führte u. a. zu der spektakulären Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel, die der Regelung bundesweite Aufmerksamkeit bescherte, obwohl sie bis dato eher ein Schattendasein gefristet hatte.
Die Bundesregierung verständigte sich schließlich darauf, die Norm nicht zu streichen, aber dahingehend zu ergänzen, dass bspw. Ärzte und Kliniken künftig straffrei darüber informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Auch bestimmte "neutrale Stellen" sollen Informationen darüber anbieten dürfen und die Bundesärztekammer soll künftig eine Liste mit Ärzten sowie Krankenhäusern und Einrichtungen führen, die mitgeteilt haben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Diese Lösung fand abseits der Regierungsparteien nicht allzu viel Zustimmung - so auch gestern im Rechtsausschuss des Bundestages, der den Entwurf der beiden Koalitionspartner erörterte.
Juristen überwiegend gegen Kompromiss
Rechts- und Sozialwissenschaftler, Juristen und Ärzte stellten sich unter der Leitung des Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) zweieinhalb Stunden lang den Fragen der Abgeordneten. Zwei Gynäkologen waren geladen, die durchaus unterschiedliche Positionen zum Gesetzentwurf von Union und SPD vertraten. Ein Frauenarzt aus Bad Aibling nannte den Gesetzentwurf ausgewogen und dass dieser den Informationszugang für Schwangere verbessern könne. Eine vollständige Streichung würde dagegen zu einem Wettbewerb um die beste Werbung führen. Seine ebenfalls eingeladene Kollegin aus Kassel hielt dagegen, der Entwurf ignoriere gesellschaftliche Realitäten und verletze Grundrechte.
Auf Seiten der Juristen sprach sich Rechtsprofessor Michael Kubiciel aus Augsburg für den Entwurf aus, der für eine einheitliche und qualitativ hochwertige Information sorgen werde und gleichzeitig Ärzte vor den Anzeigen selbsternannter Lebensschützer bewahre. Allerdings, so Kubiciel, verbleibe für die Zukunft ein "Optimierungsauftrag" an den Gesetzgeber. Professor Reinhard Merkel aus Hamburg argumentierte indes für eine Streichung des gesamten § 219a. Die nun beabsichtige Korrektur sei unzulänglich, befand der Strafrechtsphilosoph und warf die Frage auf, warum die Debatte allein unter dem Gesichtspunkt geführte werde, ob sich Frauen hinreichend informieren könnten - und nicht dahingehend, was der Staat überhaupt mit Strafe bedrohen dürfe. Die Strafrechtslehrerin Elisa Hoven aus Leipzig schlug in die gleiche Kerbe: Auch die korrigierte Fassung stelle weiterhin Handlungen unter Strafe, die keinen Unrechtsgehalt aufwiesen.
Ulrike Lembke vom Deutschen Juristinnenbund erneuerte ebenfalls ihre Kritik an der grundsätzlichen Strafbarkeit nach § 219a und bezeichnete den nun vorgelegten Entwurf als "rechtsdogmatisch grobe[n] Unfug" und einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärzte. Deshalb unterbreitete sie einen Gegenvorschlag: Die Norm sollte gestrichen und im Gegenzug ein Ordnungswidrigkeitentatbestand im Schwangerschaftskonfliktgesetz geschaffen werden, so Lembke.
Nicht einig waren sich auch die beiden Sozialwissenschaftlerinnen in der Anhörung. Während Ulrike Busch vom Institut für Angewandte Sexualwissenschaft der Hochschule Merseburg den Entwurf als ideologisch und parteipolitisch motiviert krisierte, will Nadine Mersch, Leiterin der Stabsstelle Sozialpolitik beim Sozialdienst katholischer Frauen, an der Norm festhalten. Anderenfalls unterlaufe man die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Lebensschutz, so Mersch.
dpa/mam/LTO-Redaktion
Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages: . In: Legal Tribune Online, 19.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33913 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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