Kommunen sollten mehr Spielraum für die Anordnung von Busspuren, Radwegen und Tempo 30 erhalten. Verkehrsplaner sollten Umweltschutz und Gesundheit berücksichtigen dürfen. Doch die Reform ist überraschend im Bundesrat gescheitert.
Die vom Bundestag beschlossenen Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes verfehlten am Freitag in der Länderkammer die erforderliche Mehrheit. Das zustimmungspflichtige Gesetz sah vor, dass grundsätzlich neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden sollen.
Diese Änderung sollte die rechtliche Basis für eine grundlegende Reform der behördlichen Befugnisse sein, die in § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt sind. In der parallel zur Abstimmung gestellten StVO-Novelle war zum Beispiel vorgesehen, dass Behörden vor Ort etwa auch "Sonderfahrspuren" zur Erprobung klimafreundlicher Mobilität einrichten können – etwa für E-Autos, Wasserstoff-Fahrzeuge oder Fahrzeuge, in denen mehrere Insassen sitzen. Mehr Flexibilität sollte es auch bei Bewohnerparkzonen, Busspuren oder Radwegen geben. Tempo 30 sollte leichter anzuordnen sein, etwa auf Straßenabschnitten an Spielplätzen und Schulwegen sowie in Lücken zwischen zwei Tempo-30-Zonen, damit der Verkehr leichter fließt.
Da die Änderung des StVG am Freitag schon keine Mehrheit bekam, setzte der Bundesrat auch die StVO-Änderung von der Tagesordnung ab. Die einst als Paradigmenwechsel angekündigte Reform des Straßenverkehrsrechts ist damit zumindest vorerst gescheitert.
Ampelvertreter bedauern Scheitern
Bundesverkehrsminister Volker Wissing reagierte enttäuscht. "Ich bedauere sehr, dass die Länder der Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes im Bundesrat nicht zugestimmt haben", sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. "Wir wollten den Kommunen mehr Handlungsspielraum vor Ort geben. Offensichtlich ist das seitens der Länder aber nicht gewünscht."
Laut Spiegel kam die die Ablehnung wohl überraschend, nachdem der Bundesrat zuletzt sogar einhellig eine weitergehende Reform gefordert hatte, damit jedoch bei der Bundesregierung abgeblitzt war. Dem Bericht zufolge ging die Kehrwende der Länderkammer am Freitag von den unionsgeführten Landesregierungen wie Bayern aus. Ihre Begründung: Das Ziel der Sicherheit des Straßenverkehrs dürfe nicht aufgeweicht werden, indem andere Ziele wie Klimaschutz hinzukommen.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) nannte dies vor dem Bundesrat einen unverständlichen Vorwand. Die Verkehrssicherheit würde durch die Reform verbessert statt verschlechtert. "Dann hat der Bundesrat eine Möglichkeit einer bescheidenen Reform verstolpert", kritisierte Hermann laut Spiegel. Die neuen Regeln seien überfällig, man habe schon seit Jahren am Kompromiss gearbeitet. Etwas Besseres könne auch im Vermittlungsausschuss nicht entstehen, den die Bundesregierung nach dem Scheitern im Bundesrat anrufen könnte. Auch die parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium Daniela Kluckert (FDP) hatte in der Länderkammer vergeblich für die Reform geworben.
Bundesregierung oder Bundestag haben nun die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen, um mit den Ländern über Kompromisse zum Straßenverkehrsgesetz zu verhandeln.
hs/dpa/LTO-Redaktion
Bundesrat gegen Klimaschutz als Planungsziel: . In: Legal Tribune Online, 24.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53259 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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