Die Terrortat von Solingen erhitzt die Gemüter. Die Union hat einen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen gefordert. Bundesjustizminister Buschmann ist skeptisch, sieht aber Handlungsbedarf.
Bundesjustizminister Marco Buschmann hat sich gegen einen von der Union geforderten Aufnahmestopp für bestimmte Migranten etwa aus Syrien oder Afghanistan ausgesprochen. "Dass wir pauschal für die ganze EU oder Deutschland sagen, dass wir bestimmte Menschen gar nicht mehr aufnehmen, das ist ein rechtliches Problem", sagte der FDP-Politiker im ARD-Morgenmagazin. "Ich finde, wir müssen über die Menge reden, wir müssen über die Verteilung in Europa reden, wir müssen über den Schutz der Außengrenzen reden, aber wir können nicht einfach sagen, niemand darf mehr zu uns kommen."
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hatte die Forderung nach einem Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen nach dem Solinger Terroranschlag vom Freitagabend erhoben, bei der mutmaßlich ein syrischer IS-Anhänger drei Menschen erstochen und acht verletzt hatte. Er hätte 2023 nach Bulgarien überstellt werden sollen, was jedoch scheiterte.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Merz sprechen am Dienstag im Kanzleramt über die Migrationspolitik.
Abschiebungen auch nach Urteil des OVG NRW nicht möglich
Buschmann ist grundsätzlich dafür, auch nach Syrien und Afghanistan abzuschieben. Bei Syrern sei das möglich, meint er. "Das haben die Gerichte auch schon entschieden ... weil wir in Syrien eben auch Regionen haben, in denen die Menschen sicher sein können. Ich finde, wir brauchen auch eine Lösung für Afghanistan", sagte er. Nach einem früheren Messerattentat in Mannheim hatte bereits Scholz im Juni angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen.
Buschmann bezieht sich mit seiner Aussage vermutlich auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW in Münster. Das hatte im Juli entschieden, dass Syrer den bisher in der Regel erteilten subsidiären Schutz nicht mehr pauschal erhalten (OVG NRW, Urt. v. 16.07.2024, Az. 14 A 2847/19.A). Inzwischen liegen die Urteilsgründe vor: In dem Fall ging es um eine sogenannte Aufstockungsklage: Der Kläger in dem Fall hatte einen besseren Schutzstatus erreichen wollen, er bekam ihn allerdings nicht zugesprochen, weil er als Schleuser einen solchen Status nicht bekommen kann, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Asylgesetz (AsylG). Um eine Abschiebung ging es allerdings nicht: Schon das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte festgestellt, dass in Bezug auf diesen Mann ein Abschiebungshindernis vorliegt, nach § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Voraussetzungen dafür sind im Einzelfall zu prüfen.
Hinzu kommt aber in der Praxis: Für ein Abschiebeabkommen braucht es eine Ansprechperson im Zielland – ob die Bundesregierung mit der De-Facto-Regierung der Taliban oder dem syrischen Machthaber Assad ein solches Abkommen verhandeln will, muss die Politik entscheiden.
Sondersitzung in NRW diese Woche
Generell muss aus Buschmanns Sicht die Abschiebung ausreisepflichtiger Migranten intensiviert werden. Die gescheiterte Abschiebung des mutmaßlichen Täters von Solingen sei kein Einzelfall.
"Bei Zehntausenden scheitert jedes Jahr aus diesem Grund, dass man sie einfach nicht antrifft, die Abschiebung. Da müssen wir jetzt drüber sprechen, wie der Staat da konsequenter durchgreift und diese Leute so behandelt, wie das Recht es vorsieht", sagte er. Generell zur politischen Debatte nach der Tat von Solingen sagte Buschmann: "Ich finde nicht gut, wenn nach einem solchen Anschlag jeder das erzählt, was er immer erzählt."
LTO berichtete bereits, dass mit dem im Juli verabschiedeten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) mehr und strengere Meldepflichten für Asylsuchende kommen. Die Mitgliedstaaten haben eine Frist von zwei Jahren für die Umsetzung der GEAS-Reform in nationales Recht.
Der mutmaßliche Täter in Solingen soll nach Medienberichten untergetaucht sein, sich also dem Zugriff der Behörden dauerhaft entzogen haben, um den Ablauf der Frist für eine Überstellung nach Bulgarien zu umgehen. Ein echtes Untertauchen von Personen wird auch mit GEAS nicht völlig zu vermeiden sein, es könnte aber schneller auffallen. NRW-Innenminister Herbert Reul hatte zwischenzeitlich gesagt, der Mann sei nicht im rechtlichen Sinne untergetaucht. Am Donnerstag wird im NRW-Landtag eine Sondersitzung von Innen- und Integrationsausschuss stattfinden, die dazu echte Fakten bringen könnte.
dpa/tap/LTO-Redaktion
Bundesjustizminister Buschmann nach Anschlag in Solingen: . In: Legal Tribune Online, 27.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55277 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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