16 Bundesländer waren dafür, Verbraucherschützer sind es seit langem: Am Ende aber setzte sich der Bundesjustizminister mit seiner ablehnenden Haltung durch. Eine Pflicht zum Abschluss einer Versicherung gegen Hochwasser wird es nicht geben.
Obwohl in Deutschland aktuell lediglich 54 Prozent der Gebäude gegen Naturgefahren, wie Hochwasser und Überschwemmung, versichert sind, gibt die Bundesregierung der Forderung der Länder nach einer bundesweit geltenden Elementarschäden-Pflichtversicherung nicht nach. Bei dem mit Spannung erwarteten Treffen von Bundeskanzler Scholz mit den Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstagabend ließ der Bund die Länder abblitzen. Statt einer Pflicht zum Abschluss einer Versicherung erneuerte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) seine Forderung nach einer Angebotspflicht für die Versicherer.
Buschmann Vorschlag sieht vor, dass bei Bestandsverträgen die Eigentümer über die Möglichkeit des Schutzes vor Elementarschäden informiert werden, wenn ihre Wohngebäudeversicherung dies bisher nicht abdeckt. Jeder Wohngebäudeversicherer wäre danach verpflichtet, seine Bestandskunden ohne Elementarschadenabdeckung zu kontaktieren und ihnen ein Angebot zu machen und das auch nachzuweisen. Der Versicherte soll dann frei über die Annahme entscheiden dürfen.
Beim Abschluss von Wohngebäudeversicherungen müssten die Versicherer den Eigentümern stets ein Angebot mit der Option zur marktüblichen Deckung für Schäden infolge von Elementargefahrereignissen vorlegen. Der Versicherungsnehmer soll diese dann aber abwählen können (Opt-out).
Buschmann: "Länder-Vorschlag macht Wohnen teurer"
"Mit der Angebots-Pflicht haben wir heute den Ländern ein pragmatisches Angebot gemacht, das schnell und einfach umsetzbar wäre - und zügig zu einer höheren Versicherungsquote gegen Elementarschäden führen würde", erklärte Buschmann am Donnerstag nach dem Bund-Länder-Treffen im Kanzleramt gegenüber der dpa. Elementare Schäden ließen sich nicht komplett verhindern. Wichtig sei es, dass alle Immobilienbesitzer die Möglichkeit bekämen, sich dagegen zu versichern. "Das wäre mit einer Angebotspflicht erreichbar gewesen. Die aus dem Länderkreis geforderte Pflichtversicherung würde das Wohnen in Deutschland teurer machen, eine große Bürokratie nach sich ziehen und den Staat nicht aus der finanziellen Haftung nehmen, so Buschmann.
Bayern Ministerpräsident Markus Söder hatte Buschmanns Vorschlag, von dem sich offenbar auch der Bundeskanzler überzeugen ließ, als "typischen Flop" bezeichnet. Ein bloßes Angebot an die Hauseigentümer werde nichts ändern und nicht zu einem höheren Versicherungsschutz führen. Eine Pflichtversicherung betreffe das Gemeinwohl. Die FDP müsse begreifen, dass sie nicht nur Lobbyistin für eine bestimmte Klientel sein dürfe. Tatsächlich vertritt die deutsche Versicherungswirtschaft, der die FDP traditionell eng verbunden ist, nahezu die identische Position wie Buschmann. Beide argumentieren, dass eine Pflichtversicherung das Wohnen auch für Mieter teurer mache, weil Vermieter die Kosten auf sie umlegen dürften. Außerdem sei es ein Trugschluss, dass eine Versicherungspflicht auch für Betroffene in Risikogebieten zu niedrigeren Versicherungsprämien führen würde. Schließlich richte sich die Prämie immer nach dem individuellen Risiko des Gebäudes.
Grüne im Bundestag für Pflichtversicherung
Dagegen sprach sich der Grünen-Rechtspolitiker MdB Lukas Benner für eine bundesweite Versicherungspflicht gegen Elementarschäden aus. "Mit der richtigen Ausgestaltung fördert sie Prävention und gewährleistet Planungssicherheit für Betroffene sowie eine solidarische Kostenverteilung", fügte er hinzu. Hinsichtlich der zu erwartenden Mehrkosten für Mieter schlug er eine Deckelung vor: "Die Prämie sollte nicht komplett an die Mieter weitergereicht werden können." Weiter sagte er der dpa: "Da, wo extrem hohe Prämien gefordert werden aufgrund eines hohen Risikos, sollte man zwischen Bestandsgebäuden und Neubau differenzieren, um gerechte Lösungen zu finden."
Wie es beim Thema Hochwasser-Versicherungsschutz nun weiter geht, ist offen. Dass es schnell zu einer Lösung kommt, ist angesichts der weit auseinanderliegenden Positionen eher unwahrscheinlich. "Wir haben heute vereinbart, dass wir zwischen Bund und Ländern weiter im Gespräch bleiben", erklärte der Bundesjustizminister. Eine Angebotspflicht bleibe aus seiner Sicht die bessere Lösung. "Ich werde weiter für sie werben," so Buschmann.
Frust in den Ländern
Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) betonte dagegen, die Länder hielten eine Pflichtversicherung weiter für richtig. Sie würden jetzt in einen Arbeitsmodus gemeinsam mit der Bundesregierung einsteigen, um zu einer Lösung zu kommen. Aus Länderkreisen hieß es am Freitag, die Länder wollten jetzt weiter an konkreten Modellen arbeiten. "Wir haben mit dem Bund verabreden können, dass wir die rechtlichen Grundlagen zu den finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Versicherung nochmal abgleichen", erklärte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).
Insgesamt aber überwiegt in den Bundesländern nach dem gescheiterten Einigungsversuch parteiübergreifend Frust: "Seit Jahren springt der Steuerzahler ein, wenn Hochwasser Schäden anrichten wie kürzlich im Saarland. Ein Blick nach Frankreich zeigt: Eine Pflichtversicherung geht bezahlbar und ohne, dass der Staat ständig einspringen müsste", kritisierte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte Rehlinger.
Am Pfingstwochenende hatte heftiger Dauerregen im Saarland für großflächiges Hochwasser gesorgt und Schäden von zig Millionen Euro angerichtet. In Bayern und Baden-Württemberg verursachte das Hochwasser nach Schätzungen der Versicherungswirtschaft Schäden in einer Größenordnung von etwa zwei Milliarden Euro.
Es ist davon auszugehen, dass die Debatte um eine Pflichtversicherung spätestens bei der nächsten Hochwasser-Katastrophe wieder von vorne losgeht.
Mit Material der dpa
Einigung beim Bund-Länder-Treffen gescheitert: . In: Legal Tribune Online, 21.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54829 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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