BSG zu Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft: Ent­schä­d­i­gung nur bei ver­suchter Tötung

24.09.2020

Nimmt eine Schwangere wiederholt Alkohol zu sich, so kann dies das ungeborene Kind schwer schädigen. Ab wann das Kind dann einen Anspruch auf Opferentschädigung hat, hat nun das BSG erstmalig höchstrichterlich entschieden. 

Bei einem Alkoholmissbrauch der eigenen Mutter während der Schwangerschaft haben Kinder nur bei einem versuchten Schwangerschaftsabbruch Anspruch auf Entschädigung. Das hat das Bundessozialgerichts (BSG) am Donnerstag entschieden. Die Kasseler Richter wiesen die Klage einer 2005 geborenen Jugendlichen ab (Urt. v. 24.09.2020 Az. B 9 V 3/18 R). Sie ist von Geburt an schwerbehindert. Ursache war laut den Vorinstanzen der Alkoholkonsum der Mutter.  

Die Jugendliche forderte eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) für Kriminalitätsopfer. Das Land Sachsen-Anhalt hatte das abgelehnt, Alkoholmissbrauch stelle kein strafrechtlich relevantes Verhalten dar. 
 
"Ein vorgeburtlicher Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft kann auch einen tätlichen Angriff auf das ungeborene Kind darstellen", sagte dagegen die Vorsitzende Richterin des BSG. Denn auch die Leibesfruch (nasciturus) sei vom Schutzbereich des OEG erfasst, es bedürfe aber eines versuchten Schwangerschaftsabbruchs bzw. einer versuchten Tötung des Kindes. Die Körperverletzungsdelikte seien nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht auf das Verhältnis der Schwangeren zu ihrem ungeborenen Kind anwendbar, so das Gericht. 

Im vorliegenden Fall sei der Vorsatz zum Abbruch einer Schwangerschaft aber nicht erkennbar. Laut dem BSG war es die erste höchstrichterliche Entscheidung dieser Art. Nach Angaben des Verbands FASD Deutschland, der Betroffene vertritt, werden bundesweit jährlich etwa 10.000 Kinder mit Schäden durch Alkohol, der so genannten fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD), geboren.  

vbr/dpa/LTO-Redaktion 

Zitiervorschlag

BSG zu Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42903 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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