Normalerweise wird die Abschiebehaft nicht in gewöhnlichen Gefängnissen vollzogen. Eine Ausnahme gibt es jedoch - und die bejaht der BGH in einem Fall, nachdem der EuGH entschieden hat.
Ein Gefährder, der in einen Drittstaat abgeschoben werden soll, muss seine Abschiebehaft in einem gewöhnlichen Gefängnis verbringen. Er muss zwar getrennt von anderen Häftlingen, aber nicht in einer speziellen Hafteinrichtung untergebracht werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Anschluss an ein EuGH-Urteil entschieden (Beschl. v. 15.12.2020, Az. XII ZB 3/19).
Die Karlsruher Richterinnen und Richter haben sich mit dem Fall eines Tunesiers beschäftigt, bei dem das Land Hessen die Abschiebung angeordnet hatte. Da der Mann wegen seiner radikal-islamistischen Gesinnung als "Schleuser und Rekrutierer" für den Islamistischen Staat eingestuft worden war, hatte das Land ihn unter Berufung auf § 62a Abs. 1 S. 2 AufenthG a.F. nicht in einer Abschiebehafteinrichtung, sondern in einer gewöhnlichen JVA untergebracht. Dies allerdings getrennt von den anderen Häftlingen.
Die Abschiebehaft war angeordnet worden, weil der Kläger gegen seine Abschiebung Klage beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eingereicht hatte, die er mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden hatte. Dies führte dazu, dass die Abschiebung gem. § 58 AufenthG nicht unmittelbar vollzogen werden konnte.
Fluchtmöglichkeit nicht auszuschließen
Mit seiner Klage gegen die Unterbringung ist der Mann nun bis vor den BGH vorgedrungen, der zunächst den EuGH per Vorabentscheidungsersuchen gebeten hatte, die Europarechtskonformität des § 62a Abs. 1 S. 2 AufenthG a.F. zu überprüfen. Die obersten europäischen Richterinnen und Richter sahen in einer solchen Unterbringung keinen Verstoß, solange der Häftling getrennt von den anderen untergebracht werden kann.
Zurück in Karlsruhe angelangt, hat der BGH nun das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen bejaht. Die Vollziehung der Haft in anderen Gefängnissen als gesonderten Abschiebehafteinrichtungen sei im Falle des Tunesiers zu Recht angeordnet worden. Die erforderliche Voraussetzung - das Bestehen einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit - sei erfüllt gewesen.
Zudem sei der Haftvollzug auch verhältnismäßig gewesen. Da der Kläger als gewaltbereit gelte und bereits in der Vergangenheit auf besonders geschultes Sicherheitspersonal habe zurückgegriffen werden müssen, hätte in einer Abschiebeeinrichtung eine Gefahr für andere Gefangene und das Personal bestanden. Zudem hätte nicht jede Fluchtmöglichkeit ausgeschlossen werden können, da in derartigen Einrichtungen größere Freiheiten bestünden als in herkömmlichen Gefängnissen.
pdi/LTO-Redaktion
BGH lässt Ausnahme zu: . In: Legal Tribune Online, 10.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44240 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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