BGH zur Wohnungseigentümergemeinschaft: Ein "Laden" für Obdach­lose

von Maximilian Amos

01.04.2019

Eine Berliner Eigentümergemeinschaft wollte verhindern, dass auf der als "Laden" deklarierten Fläche eines Mitglieds Obdachlose untergebracht werden. Der Begriff schließe aber nicht aus, dass jemand darin haust, so der BGH.

In einem "Laden" kann auch gehaust werden, enschied der Bundesgerichtshof (BGH). Mit nun veröffentlichtem Urteil vom 8. März 2019 (Az. V ZR 330/17) entschied der V. Karlsruher Zivilsenat, dass eine Eigentümergemeinschaft es dulden muss, dass ein Mitglied auf seiner Ladenfläche Obdachlose beherbergt. Die Bezeichnung als "Laden" in der Teilungserklärung verhindere eine solche Nutzung nicht.

Der Fall spielte sich in Berlin ab, wo ein Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft sein Teileigentum - bestehend aus vier Ladenräumen, zwei Fluren und einem Bad - vermietet hatte. Die Mieterin nutzte die Räumlichkeiten für ein Projekt gegen Obdachlosigkeit. Dazu brachte sie auf Grundlage eines Vertrags mit dem Bezirksamt tageweise obdachlose Personen in den Räumlichkeiten unter. Je zwei Personen teilten sich dabei einen (nicht abschließbaren) Raum. Küche, Toilette und Bad wurden gemeinschaftlich genutzt.

Den restlichen Eigentümern missfiel diese Art der Nutzung offenbar, weshalb man das Mitglied dazu aufforderte, diese zu unterbinden. Dazu pochte man auf die Teilungserklärung, die zum einen keine Nutzung zu Wohnzwecken erlaube und zum anderen die Räumlichkeiten als "Laden" deklariere, weshalb schon begrifflich die Unterbringung von Menschen ausgeschlossen sei. Schließlich kam es zur gerichtlichen Auseinandersetzung, die man vor der dem Amtsgericht Schöneberg wie auch vor dem Landgericht Berlin gewann.

Mehr Heim als Wohnung

Die Berufungsrichter nahmen zunächst an, dass keine Nutzung zu Wohnzwecken vorliege, sondern vielmehr eine "heimähnliche Unterbringung", die nicht untersagt sei. Indikatoren für ein Heim oder eine ähnliche Unterbringung sind im Unterschied zur Wohnung u. a. eine Vielzahl von Bewohnern, von denen der Bestand der Einrichtung abhängt, und eine "heimtypische" Organisationsstruktur statt einer eigenverantwortlich gestalteten Haushaltsführung. Allerdings seien unter dem Begriff "Laden" nach üblichem Sprachgebrauch Geschäftsräume zu verstehen, die vordergründig zum Verkauf von Waren dienten, was hier nicht der Fall sei.

Der BGH hob dieses Urteil nun in der Revision auf. Dabei ging man noch insoweit mit dem Landgericht d'accord, als es sich bei der Einrichtung um eine heimähnliche Unterbringung und gerade keine Nutzung zu Wohnzwecken handele. Dazu bezog man sich auch auf die eigene Rechtsprechung zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in einer Gemeinschaftsunterkunft, die der BGH ebenfalls als heimähnliche Unterbringung angesehen hatte (Urt. v. 27.10.2017, Az. VZR 193/16). Anzahl und Fluktuation der Gäste machten eine heimähnliche Organsiation erforderlich, die im Gegensatz zur eigenverantwortlichen Haushaltsführung in einer Wohnung stehe, so der Senat. So würden etwa Zimmer und Betten zugewiesen und Verhaltensregeln aufgestellt. Etwas anderes gelte auch nicht, wenn Menschen - wie im nun entschiedenen Fall - mitunter nicht nur tageweise, sondern auch länger einquartiert würden.

Bezeichnung als "Laden" zu unbestimmt

Doch dem Einwand, es handele sich um einen Laden, der schon dem Wortsinn nach nicht zur Unterbringung von Personen dienen könne, wollten die Karlsruher Richter nicht folgen. Eine Nutzung des Eigentums, stellte man klar, könne aufgrund der Vereinbarung der Eigentümergemeinschaft nur beschränkt werden, wenn dies klar und deutlich daraus hervorgehe. Dazu könne auch prinzipiell eine schlichte Bezeichnung (Beispiel: "Kellerräume") ausreichen. Bei unklarer Bezeichnung aber könne keine Einschränkung angenommen werden.

Der Terminus "Laden", vom Berufungsgericht noch als treffsicheres Begrenzungskriterium akzeptiert, stieß diesbezüglich beim BGH auf Bedenken. "Laden" werde in der Erklärung lediglich zur räumlichen Bezeichnung der Flächen und ohne nähere Erläuterung genannt. Da die Räumlichkeiten zum Zeitpunkt der Erklärung bereits bestanden, könne die Beschreibung auch als bloße Bezugnahme auf die bisherige Nutzung gedeutet werden. Somit könnten die Räume zwar nicht zu Wohn-, wohl aber sämtlichen anderen Zwecken genutzt werden - auch zur heimähnlichen Unterbringung.

Einer obergerichtlich zum Teil vertretenen Position, wonach sich bei offener Zweckbestimmung in der Teilungserklärung eine einschränkende Auslegung durch örtliche Gegebenheiten ergeben könne, trat der Senat nicht bei. Danach hätten der "Charakter der Anlage" und die sonstige Nutzung der Räumlichkeiten gegen eine Unterbringung von Obdachlosen sprechen können. Der BGH aber blieb hier formalistisch: Wenn die Zweckbestimmung eingehalten sei, könne sich aus den sonstigen Umständen nichts anderes ergeben - anderenfalls drohten Rechtsunsicherheiten und praktische Schwierigkeiten.

Auch wenn den anderen Eigentümern Nachteile aus der Nutzung erwüchsen - diese hatten unter anderem geltend gemacht, die Obdachlosen hinterließen Schmutz und Zigarrettenkippen auf der Anlage, versperrten den Hauseingang und klingelten bei anderen Bewohnern - könne auch deshalb nicht die Unterlassung der Nutzung an sich verlangt werden. Es könne nur die konkrete Beeinträchtigung moniert und Unterlassung diesbezüglich gefordert werden, so die Richter.

Zitiervorschlag

BGH zur Wohnungseigentümergemeinschaft: . In: Legal Tribune Online, 01.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34689 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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