BGH zu Sachmangel bei Autokauf: Käufer kann Sache bei Baga­tell­schäden zurück­weisen

28.10.2016

Besteht bei der Auslieferung eines Neuwagens auch nur ein geringfügiger Lackkratzer, darf der Käufer Zahlung und Abnahme des Fahrzeugs verweigern. Dadurch entstehende Mehrkosten hat der Verkäufer zu tragen, so der BGH.

Auch geringfügige Schäden an einer neuen Sache rechtfertigen deren Zurückweisung und die Verweigerung der Kaufpreiszahlung durch den Käufer. Sollten dem Verkäufer dadurch Mehrkosten, zum Beispiel durch die Einlagerung, entstehen, hat er diese selbst zu tragen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch (Urt. v. 26.10.2016, Az. VIII ZR 211/15).

Der Käufer bestellte im Jahr 2013 bei einem Autohändler ein Neufahrzeug der Marke Fiat. Die Parteien vereinbarten eine kostenfreie Auslieferung des Fahrzeugs am Wohnsitz des Käufers. Bei der Auslieferung durch eine vom Verkäufer beauftragte Spedition wies das Fahrzeug einen Lackschaden an der Fahrertür auf. Dies wurde im Lieferschein mit dem Hinweis vermerkt, dass der Verkäufer die Kosten für die Ausbesserung übernehmen werde. Der Käufer wies das Fahrzeug noch am gleichen Tag zurück und verweigerte die Kaufpreiszahlung.

Nach dem Händler handelte es sich lediglich um einen "Bagatellschaden", er verlangte den vollen Kaufpreis. Der Käufer übersandte ihm daraufhin den Kostenvoranschlag eines Autolackierbetriebes, wonach Lackierkosten in Höhe von 528,30 Euro entstünden. Der Händler wollte bei Vorlage des Originals der Reparaturrechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aber maximal 300 Euro übernehmen.

Da sich Käufer und Verkäufer nicht einigten, holte der Händler das Fahrzeug im August 2013 beim Käufer ab, ließ den Lackschaden beheben und lieferte das Fahrzeug im Oktober 2013 wieder an ihn aus. Der Käufer zahlte daraufhin den gesamten Kaufpreis.

Mit seiner Klage begehrt der Verkäufer Ersatz von Transportkosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeugs, ferner "Standgeld" sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis, insgesamt 1.138,64 Euro. Seine Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Abnahmeverweigerung und Zurückbehaltungsrecht

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass der Käufer auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln - wie dem hier vorliegenden Lackschaden - grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen noch das Fahrzeug abnehmen muss, bevor der Mangel beseitigt ist.

Nach § 433 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Hieraus folgt das Recht des Käufers, vom Verkäufer die Beseitigung von Mängeln der Sache zu verlangen und bis dahin die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB zu verweigern. Diese Rechte stehen dem Käufer bei einem behebbaren Mangel auch dann zu, wenn er - wie der hier vorliegende Lackschaden - geringfügig ist.

Zwar könnten der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts unter besonderen Umständen ausnahmsweise mit Rücksicht auf Treu und Glauben Schranken gesetzt sein. Derartige besondere Umstände lägen hier indes nicht vor. Im Gegenteil hatte der Verkäufer dem Käufer zunächst nicht einmal angeboten, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des Lackschadens zu sorgen und so seiner Erfüllungspflicht nachzukommen. Er hatte sich nämlich lediglich zu einer Übernahme der Reparaturkosten bereit erklärt. Einen Reparaturauftrag zu erteilen, oblag jedoch nicht dem Käufer, sondern der Verkäufer musste die Arbeiten im Rahmen der Erfüllung seiner Pflichten in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko veranlassen.

Zudem hat der Verkäufer selbst an der (unzureichenden) Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern eine Obergrenze von 300 Euro gesetzt, so dass obendrein das Risiko der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirtschaftlichen oder unsachgemäßen Arbeitens des Werkstattbetriebes, den Käufer getroffen hätte.

Bei den von dem Händler geltend gemachten Aufwendungen (Transportkosten, "Standgeld") handelte es sich im Übrigen um Kosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages erforderlich und deshalb ohnehin von ihm als Verkäufer zu tragen waren. 

mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zu Sachmangel bei Autokauf: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21008 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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