BGH zu Hotelbewertungen: Bewer­tungs­portal muss Gast­kon­takt nach­weisen

von Alexander Cremer

01.09.2022

Wer ein Hotel auf einem Online-Portal bewerten will, muss Gast des Hotels gewesen sein. Bei anonymen Bewertungen ist die Gästeeigenschaft für das Hotel aber nur schwer nachweisbar. Der BGH sieht deshalb den Portalbetreiber in der Pflicht. 

Wie kann sich ein Hotel gegen anonyme oder pseudonyme negative Bewertungen auf einem Reiseportal wehren? Jedenfalls leichter als gedacht, wie aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hervorgeht. In der Regel reicht demnach eine Rüge des Hotels aus, der Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde. Das Portal treffe dann eine sekundäre Darlegungslast, es muss also die Berechtigung für die Abgabe der Bewertung klären. Tut das Portal das nicht, sei der fehlende Gästekontakt als wahr zu unterstellen und die Bewertung damit rechtswidrig (Urt. v. 09.08.2022, Az. VI ZR 1244/20). Vertreten wurde der klagende Freizeitpark von der Berliner Kanzlei Höch Rechtsanwälte, die das Urteil auf ihrer Homepage veröffentlichte.

Hintergrund der Entscheidung ist ein Streit zwischen einem Ferienpark und einem Online-Reiseportal. Nutzer des Portals können dort unter anderem Hotels buchen und, wenn sie mit ihrer E-Mail-Adresse registriert sind, die Hotels auch bewerten. Die Bewertungen werden dann unter dem vom Nutzer angegebenen Namen veröffentlicht. Die Bewertungen enthalten oft noch weitere Angaben wie die Altersgruppe des Nutzers, den Reisezeitraum und ob die Reise allein, mit Freunden oder als Familie durchgeführt wurde. Die Nutzer des Portals erhalten für die Veröffentlichung von bis zu zehn Hotelbewertungen pro Monat Prämien in Form von Flugmeilen. Nach den Nutzungsrichtlinien des Portals darf die Leistung nur bewertet werden, wenn sie auch in Anspruch genommen wurde. 

Der Ferienpark hatte das Portal wegen eines knappen Dutzend negativer, teils mit Fotos versehene Bewertungen mit der Behauptung, die Bewertenden seien keine Gäste gewesen, auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Bewertungen waren allesamt nur mit Vornamen oder Initialen der angeblichen Gäste veröffentlicht worden. 

Keine Bewerungen mit "gästespezifischem Sonderwissen" 

Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln war die Klage des Ferienparks weitgehend erfolgreich. Das Portal hafte als mittelbarer Störer. Demnach sei das Portal zwar nicht verpflichtet, die Bewertungen der Nutzer vor der Veröffentlichung zu überprüfen. Weise das Hotel das Portal aber auf eine "klare Rechtsverletzung" hin, treffe das Portal eine Prüfpflicht. Eine solche "klare Rechtsverletzung" liege etwa dann vor, wenn die Bewerter tatsächlich nicht Gäste im Hotel waren. Da das Portal weitere Nachforschungen bei seinen Usern verweigerte, sei die fehlende Kundenbeziehung prozessual wegen der Verletzung der sekundären Darlegungslast als wahr zu unterstellen, so das OLG (Urt. v. 27.08.2020, Az. 15 U 309/19).

Die Behauptung der fehlenden Gästeeigenschaft führe laut OLG allerdings nicht immer und automatisch zu Prüfpflichten des Portalbetreibers. So könnten tatsächliche Elemente der Bewertung im Einzelfall die vage Behauptung einer fehlenden Gästebeziehung als willkürlich und "ins Blaue hinein" erscheinen lassen. Das Hotel müsse etwa vorbringen, dass und warum aus dem Buchungssystem keine Angaben zur Gästeeigenschaft des Bewerters gemacht werden können. Auch gästespezifisches "Sonderwissen" in der Bewertung, die über eine typische Hotelkritik hinausgehen, könnten das Hotel zu weiteren Nachforschungen verpflichten. Derart gästespezifische Angaben sind laut OLG etwa dann anzunehmen, wenn von einem "spektakulärem Vorgang (etwa: Seehund im Hotelzimmer des Bewertenden)" berichtet werde oder wenn Fotos aus nicht öffentlich zugänglichen Bereichen des Hotels beigefügt werden. Auch Mängelrügen, die man sich "nicht ohne weiteres ausdenken kann", könnten auf eine Gästebeziehung schließen lassen. 

Anwalt: BGH stärkt Rechte von Bewerteten

Bei den streitgegenständlichen Bewertungen war das nach Ansicht des OLG aber nicht der Fall. Zum einen hätte das Hotel anhand der bei den Bewertungen angegebenen Namen keine eindeutige Zuordnung zu konkreten Gästen vornehmen können. Zum anderen seien Schilderungen in den Bewertungen, wie die Anlage versprühe "den Charme der 60-70 Jahre", die Lage und Umgebung sei "relativ einsam" und die "Schinkenpizza für ihre Qualität mit 8,90 EUR zu teuer" nicht ausreichend gästespezifisch und speziell genug, um gesteigerte Darlegungslasten des Hotels auszulösen.  

Der BGH bestätigte dies und wies die Revision des Portals zurück. Die Rüge des Hotels, der Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, reiche grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Dies gelte auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen, da das Hotel die Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen könne. "Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontaks bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt", so der BGH.

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Dominik Höch stärkt der BGH mit der Entscheidung die Rechte von Bewerten im Netz deutlich. "Die Portale dürfen den 'schwarzen Peter' nicht an die Betroffenen von Bewertungen zurückspielen, indem man kaum jemals zu erbringende weitere Angaben einfordert, bevor man die Bewertung prüft", so Höch in einer Mitteilung. "Sie müssen einfach ihren Prüfungspflichten nachkommen, auch wenn ihnen das nicht gefällt."

Zitiervorschlag

BGH zu Hotelbewertungen: . In: Legal Tribune Online, 01.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49501 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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