BGH entscheidet über Wisente im Sauerland: Tier­schutz­ve­rein haftet für Schäden

19.07.2019

Der sauerländische Verein, der Wisente wieder im Rothaargebirge angesiedelt hat, muss für die Schäden aufkommen, welche die Tiere auf Nachbargrundstücken verursachen. Ob der Auswilderungsversuch abgebrochen werden muss, ist noch unklar.

Mehr als sechs Jahre nach der Auswilderung von Wisenten bei Bad Berleburg hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Beendet ist der Rechtsstreit damit allerdings noch nicht. Der V. Zivilsenat ist der Auffassung, dass die Waldbauern während des Stadiums der Auswilderung das Eindringen der Tiere auf ihre Grundstücke hinnehmen müssen -  sofern die Nutzung ihrer Grundstücke nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Unabhängig davon muss der beklagte gemeinnützige Verein, der die Wildtiere 2013 ausgewildert hatte, den Waldbesitzern die Schäden ersetzen, die diese durch die Tiere erleiden (Urt. v. 19.07.2019, Az. V ZR 177/17)

Final geklärt ist damit noch nicht alles. Der BGH hat die Sache an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen, das nun klären muss, ob die Waldbauern in der Nutzung ihrer Grundstücke unzumutbar beeinträchtigt werden. Fest steht aber: Es wird teuer für den gemeinnützigen Verein, der die Tiere ausgewildert hat.

Unzumutbar? OLG muss Duldungspflicht klären

2013 waren die ersten acht der mächtigen Wildtiere im Rothaargebirge ausgesetzt worden. Schnell gab es Nachwuchs und die Herde wechselte auch in benachbarte Wälder des Sauerlandes. Dort richteten die Tiere Schäden in den Buchenwäldern an - zum Frust der Waldbauern. Die Herde, die derzeit 19 Tiere hat, soll nach Ansicht der Bauern wieder aus dem Gebiet verschwinden.

Das wird wohl erst einmal nichts. Der beklagte Verein sei zwar als mittelbarer Handlungsstörer nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB bis zum Ende der Freisetzungsphase verantwortlich für die Schäden, welche die Tiere anrichten, so der V. Zivilsenat. Ebenso lange aber könnten die Waldbauern verpflichtet sein, das Eindringen auf ihre Grundstücke zu dulden im Sinne von § 1004 Abs. 2 BGB aus § 65 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG. Die Vorschrift verpflichtet Grundstückseigentümer, Maßnahmen des Naturschutzes zu dulden, soweit dadurch die Nutzung nicht unzumutbar beeinträchtigt wird.

Die Wiederansiedlung der Wisente, die von der Flora-Fauna-Habitat-Richtline eurooparechtlich besonders geschützt werden, zählt der BGH dazu. Als Maßnahme im Sinne der Vorschrift definieren die Karlsruher Richter den Erprobungszeitraum des Projekts bis hin zur Herrenlosigkeit der Tiere.

Dem OLG, das über die Zumutbarkeit der Nutzungseinschränkung nun entscheiden muss, gibt der BGH noch den Hinweis mit, dass dieser Zeitraum nicht unendlich ausgedehnt werden kann. Wenn die nötigen Erkenntnisse gewonnen und ausgewertet sowie das Verfahren für die Wiederansiedlung geklärt ist, muss Schluss sein, stellte der Senat klar.

Der Verein haftet für Schäden – in jedem Fall

Und wie auch immer das OLG entscheidet - an der Pflicht des Vereins, für Schäden einzustehen, wird das nichts ändern, so der Senat. Denn auch wenn letztlich das Verhalten der Tiere zu den Schäden geführt habe, habe doch der Verein diese im nicht eingezäunten Projektgebiet ausgesetzt. Die Schäden seien dem Verein während der Auswilderungsphase (sog. Freisetzungsphase) "in wertender Betrachtung" auch zuzurechnen.

Daran änderten auch artenschutzrechtliche Zugriffsverbote, also Gründe des Naturschutzes nichts. Die Tiere seien nämlich nicht wild lebende, herrenlose Tiere i.S.d. Bundesnaturschutzgesetzes, sondern stünden zumindest während der noch laufenden Erprobungsphase für das Projekt Auswilderung auch weiterhin im Eigentum des Vereins. Der könne sie – "wenn auch unter Schwierigkeiten", wie der BGH durchaus sah - auch identifizieren und wieder einfangen. Schließlich sollten die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote laut dem zwischen dem Verein und dem Landkreis, der Bezirksregierung Arnsberg, einem Landbetrieb sowie dem Eigentümer des Projektgebiets abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Freisetzung von Wisenten während dieser Zeit gerade nicht gelten.

Wenn die Waldbauern aus § 65 BNatSchG zur Duldung der Wisente auf ihren Grundstücken verpflichtet sind, stünde ihnen ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog gegen den Verein zu, weil der das benachbarte Projektgebiet nutzt. Bestünde eine solche Duldungspflicht nicht, würde der Verein aus § 833 S. 1 BGB haften, so der BGH.

pl/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH entscheidet über Wisente im Sauerland: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36607 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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