Ein Richterspruch aus Karlsruhe bringt den deutschen E-Zigaretten-Handel gehörig in die Bredouille. Kurz vor einer Neuregelung verbietet der BGH den Verkauf der allermeisten Liquids.
Der Handel mit Flüssigkeiten für E-Zigaretten, die Nikotin enthalten, ist laut dem Bundesgerichtshof (BGH) derzeit in Deutschland strafbar. Allerdings ist die Rechtslage gerade im Umbruch. Bis Ende Mai muss eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2014 in deutsches Recht umgesetzt sein, die den Handel mit E-Zigaretten auf eine neue gesetzliche Grundlage stellt. Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen damit Flüssigkeiten für E-Zigaretten zugelassen werden, die einen Nikotingehalt von höchstens 20 Milligramm pro Milliliter haben.
Das Urteil der Karlsruher Richter, das am Montag veröffentlicht wurde, beruht auf § 52 Abs. 2 Nr. 1 des derzeit gültigen Vorläufigen Tabakgesetzes (VTabakG). Mit dem Urteil erklärte der BGH diese Vorschrift, die u.a. den Handel mit Tabakerzeugnissen unter Strafe stellt, zugleich als verfassungskonform. Insbesondere greife er in gerechtfertigter Weise in die Berufsausübungsfreiheit aus Artikel 12 Grundgesetz (GG) ein, da hierdurch die Gesundheit der Verbraucher geschützt werden solle, heißt es.*
Weil sich E-Zigaretten erst seit einigen Jahren auf dem deutschen Markt ausbreiten, war die Frage der Strafbarkeit bislang unklar. Denn sie werden nicht im eigentlichen Sinne geraucht - beim Ziehen am Mundstück wird eine Flüssigkeit ("Liquid") vernebelt und inhaliert.
In seiner Entscheidung stuft der zuständige Zweite Strafsenat Liquids, die aus Rohtabak erzeugtes Nikotin enthalten, nun dennoch als Tabakerzeugnis ein (Urt. v. 23.12.2015, Az. 2 StR 525/13). Es kommt nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht darauf an, dass bei der Nutzung von E-Zigaretten kein Verbrennungsvorgang stattfindet und kein Rauch eingeatmet wird. Wie der BGH meint, werden diese im Sinne der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 VTabakG zum "anderweitigen oralen Gebrauch" benutzt. Nach Ansicht des 2. Strafsenats ist weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach seinem Zweck ersichtlich, dass ein "anderweitiger oraler Gebrauch" nur vorliegen soll, wenn Nikotin, wie bei Snustabak, ausschließlich über die Mundschleimhäute in den Kreislauf der Körperflüssigkeiten aufgenommen wird.
E-Zigarette kein Arzneimittel
Für solche Tabakerzeugnisse ist nach geltendem Recht die Beimischung bestimmter Stoffe untersagt. Laut BGH ist deshalb auch der Handel mit den Liquids für E-Zigaretten strafbar - denn diese Flüssigkeiten enthalten in der Regel solche Beimischungen wie Ethanol, Glyzerin und oft auch verschiedene Aromastoffe.
Eine Strafbarkeit kann sich allerdings nicht aus medizinrechtlichen Bestimmungen ergeben. Auch dies stellte der BGH fest. E-Zigaretten seien jedenfalls keine Arzneimittel gemäß § 2 Arzneimittelgesetz (AMG), soweit sie nicht zur Rauchentwöhnung eingesetzt werden.
Die Richter bestätigten mit ihrem Urteil eine Geldstrafe des Landgerichts (LG) Frankfurt gegen einen Händler, der Flüssigkeiten für elektrische Zigaretten in seinem Geschäft und online verkauft hat. Dass die von ihm vertriebenen Liquids gar keinen Rohtabak mehr enthielten, spielte für die Entscheidung keine Rolle.
Was das Urteil für die rund 5.500 Verkaufsstellen in Deutschland in den kommenden Monaten bedeutet, war am Montag unklar. Nach Angaben des Verbands des eZigarettenhandels enthalten etwa 95 Prozent aller Liquids Nikotin, das in den allermeisten Fällen aus Tabak hergestellt ist. Der Verbandsvorsitzende Dac Sprengel zeigte sich in einer ersten Reaktion verärgert über die Entscheidung. "Im Grunde ist das ein Urteil ohne Wert", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Trotzdem wird für 90 Tage ein illegaler Raum geschaffen."
una/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
*nachträglich eingefügt
BGH erklärt Handel für strafbar: . In: Legal Tribune Online, 09.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18395 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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