BGH zur Bildung eines paritätischen Aufsichtsrats: Auch Leih­ar­beiter zählen mit

20.08.2019

Wenn eine GmbH den Schwellenwert von 2.000 Arbeitnehmern überschreitet, muss sie diese paritätisch im Aufsichtsrat beteiligen. In die Berechnung können auch Leiharbeiter einfließen, wenn das Unternehmen dauerhaft auf sie setzt, so der BGH.

Auch Leiharbeitnehmer können mitzählen, wenn es um den Schwellenwert für einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat geht. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss aus dem Juni (Beschl. v. 25.06.2019, Az. II ZB 21/18). Danach kommt es für ihre Einbeziehung darauf an, wie lange das Unternehmen auf die Aushilfen setzt.

Nach § 1 Abs. 1 i. V. m. §§ 6, 7 des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) müssen Gesellschaften, sobald sie den Schwellenwert von 2.000 Beschäftigten überschreiten, ihren Aufsichtsrat paritätisch besetzen, also zur Hälfte mit Angestellten. § 14 Abs. 2 Satz 5 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) schreibt zudem vor, dass Leiharbeiter bei Mitbestimmungsfragen grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Gleichwohl gab es im nun entschiedenen Fall Unstimmigkeiten bei der Besetzung des Aufsichtsrats.

Der Gesamtbetriebsrat einer GmbH verlangte von seinem Unternehmen, den Aufsichtsrat paritätisch zu besetzen. Die Firma beschäftigt überwiegend fest angestellte Arbeitnehmer, doch etwa ein Drittel der Belegschaft besteht aus Leiharbeitnehmern - mehr oder weniger je nach Auftragslage. Der Betriebsrat war der Ansicht, dass der Aufsichtsrat paritätisch besetzt werden müsse, da mit den Leiharbeitnehmern die Grenze von 2.000 Beschäftigten geknackt worden sei. In der Tat hatte im Zeitraum von Januar 2017 bis März 2018 die Gesamtzahl aller Beschäftigten im Durchschnitt stets über 2.000 betragen - jedoch nur, wenn die Leiharbeiter mit berücksichtigt wurden.

BGH: Leiharbeiter müssen Unternehmen prägen

Weil das Unternehmen der Forderung nicht nachkam, beantragte der Betriebsrat vor Gericht die Feststellung, dass ein paritätischer Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zu bilden sei. Damit scheiterte er vor dem Landgericht, das Oberlandesgericht hingegen gab dem Antrag statt. Schließlich musste der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat in Karlsruhe entscheiden.

Die Richter kamen zu dem Schluss, dass auch Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung des Schwellenwerts von 2.000 Beschäftigten grundsätzlich zu berücksichtigen seien. Dies gelte aber nur dann, wenn die Einsatzdauer der Leiharbeitnehmer sechs Monate übersteige. Damit sei indes keineswegs gemeint, dass jeder einzelne Leiharbeiter so lange in dem Unternehmen tätig sein muss. Es genügt nach Ansicht der Karlsruher Richter, wenn ein Unternehmen Arbeitsplätze in der Regel während eines Jahres über die Dauer von mehr als sechs Monaten mit Leiharbeitnehmern besetzt.

Es komme dabei auch nicht darauf an, welche konkreten Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzt werden, so der BGH, sondern darauf, ob deren Einsatz so dauerhaft erfolge, dass er für die ständige Größe des Unternehmens ebenso prägend sei wie die Stammbelegschaft.

Weil die Gesamtzahl der Beschäftigten beim Beklagten Unternehmen - inklusive sämtlicher Leiharbeitnehmer -  zwischen Januar 2017 und März 2018, also mehr als sechs Monate binnen eines Jahres, im Durchschnitt über 2.000 betragen habe, sei es verpflichtet, seinen Aufsichtsrat paritätisch zu besetzen, so der Senat. Es sei in diesem Fall schließlich auch nicht erkennbar gewesen, dass der Einsatz der Leiharbeitnehmer lediglich auf einem ungewöhnlichen, ausnahmsweise erhöhten Personalbedarf beruhte.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zur Bildung eines paritätischen Aufsichtsrats: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37147 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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