Ein Mann mit nekrophiler Neigung malträtiert eine Frau mit einem Hammer, um sich an ihrer Leiche sexuell zu befriedigen. Am Ende überlebt sie, weil der Täter von ihr ablässt und Hilfe holt. Ein strafbefreiender Rücktritt?
Es ist ein furchtbarer Fall, den der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) zu würdigen hatte. Der Sachverhalt ergibt sich aus den Feststellungen des Landgerichts, die der angeklagte Handwerker mit seiner Revision zum BGH nicht angegriffen hat: An seinem 28. Geburtstag entschloss sich er der Tischler während eines Termins spontan, die 27-jährige Kundin zu töten, um anschließend an ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Die Gerichte attestierten dem Mann eine verminderte Intelligenz sowie eine "Vorliebe für Pornographie mit Gewaltbezug sowie mit nekrophilen Inhalten".
Insgesamt zwölfmal schlug der Mann der nichtsahnenden Frau mit einem Hammer gegen den Kopf. Dann der Sinneswandel, den der BGH so zusammenfasst: "Seine durch die Schläge aufgetretene Erektion ließ angesichts des für ihn unerwartet massiven Verletzungsbildes nach." Der 28-Jährige ließ von der Geschädigten ab, wusch seine Hände und den Hammer. Da bei dem Termin anfangs ein Kollege dabei gewesen war, der zur Tatzeit Werkzeug aus dem Tischlereibetrieb holen sollte, wurde dem Angreifer klar, dass er nicht unentdeckt entkommen kann.
Verzweifelt über die aussichtslose Lage kam ihm die Idee, den Tatverdacht von sich abzulenken und vorzutäuschen, einen auf frischer Tat ertappten Einbrecher zu verfolgen. Nachdem er den Hammer im Gebüsch vor dem entsorgt hatte, rief er laut: "Wo ist der Wichser?" Dann forderte er zwei Passantinnen auf, Hilfe zu holen. Eine der Frauen setzte einen Notruf ab – die Schwerverletzte konnte gerettet werden.
Ein strafbefreiender Rücktritt vom versuchten Mord? Nein, urteilte der BGH nun (Urt. v. 10.1.2024, Az. 6 StR 324/23) und bestätigte damit die Auffassung des Landgerichts (LG) Würzburg. Es fehle an der Freiwilligkeit.
Gleiche Maßstäbe bei unbeendetem und beendetem Versuch
In der Revisionsentscheidung überträgt der 6. Strafsenat die Anforderungen an die Freiwilligkeit des Rücktritts vom unbeendeten auf den beendeten Versuch.
Ein unbeendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter davon ausgeht, der tatbestandliche Erfolg trete ohne weiteres Zutun nicht ein. Dann kann er nach § 24 Abs. 1 Alt. 1 Strafgesetzbuch (StGB) strafbefreiend zurücktreten, indem er einfach aufhört, die Tat zu begehen. Geht er dagegen davon aus, bereits eine Ursachenkette in Gang gesetzt zu haben, die zum Erfolgseintritt führen wird, liegt ein beendeter Versuch vor. Dann muss der Täter gemäß § 24 Abs. 1 Alt. 2 StGB aktiv entgegensteuern. Vorliegend nahmen die Gerichte einen solchen Fall an, weil der 28-jährige Angreifer hier dachte, die zwölf Schläge mit dem Hammer auf den Kopf der Geschädigten würden zum Tod der Frau führen.
Das objektive Verhalten des Mannes reichte hier zwar für einen Rücktritt aus. Der BGH ist insofern großzügig und lässt für eine Erfolgsverhinderung auch genügen, wenn der Täter, so wie hier, Hilfe ruft – vorausgesetzt, dass dadurch der Erfolg auch wirklich verhindert wird.
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Kein Ausweg, kein Rücktritt
Verneint hat der BGH aber das subjektive Merkmal der Freiwilligkeit: Der Täter muss aus freien Stücken den Entschluss fassen, die Tat aufzugeben. An dieses Merkmal sind beim beendeten Versuch "grundsätzlich dieselben rechtlichen Maßstäbe anzulegen" wie beim unbeendeten, so der 6. Strafsenat:
Entscheidend für die Freiwilligkeit sei, "ob der Täter 'Herr seiner Entschlüsse' bleibt und auf der Grundlage einer willensgesteuerten Entscheidung die Vollendung der Tat verhindert". Ausnahmsweise sei dies zu verneinen, "wenn gerade die seelische Erschütterung des Täters ein zwingender Grund für die Verhinderung des Erfolgseintritts" gewesen sei. Diese vom BGH selbst in einem Urteil vom 9. März 1967 (Az. 5 StR 38/67) formulierte Ausnahme habe das LG hier rechtsfehlerfrei bejaht.
Als der Handwerker vor dem Haus der Geschädigten die beiden Passantinnen ansprach, hatte sich bei ihm laut BGH infolge einer "akuten Belastungsreaktion" derart "große panische Angst und ein großer innerer Druck aufgebaut, dass er zu selbstbestimmtem Handeln nicht mehr in der Lage war". Dass der Mann seine Situation als ausweglos wahrnahm und ihn eine panische Angst vor sozialen, beruflichen und strafrechtlichen Konsequenzen überkam, stand hier also dem Rückweg in die Straflosigkeit entgegen.
Und so verwarf der BGH die Revision. Das Urteil des LG Würzburg behält in vollem Umfang seine Gültigkeit. Das hatte den Mann wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Es hatte die Mordmerkmale der Heimtücke, der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs sowie die Absicht zur Ermöglichung einer anderen Straftat angenommen. Zugleich hatte die Kammer eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit angenommen.
Auf den Mann kommt nun die vom LG verhängte Freiheitsstrafe von elf Jahren zu, wobei die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet wurde.
BGH zur Freiwilligkeit beim beendeten Versuch: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54207 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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