2/2: Künftig wohl keine Bewährung mehr für tödliche Raserei
Die Angeklagten hätten zwar den Tod ihres Opfers fahrlässig herbeigeführt. Bei der Prüfung, ob besondere Umstände die Aussetzung der ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafen rechtfertigten, sei aber unberücksichtigt geblieben, dass bei dem Rennen gleich mehrere erhebliche Verkehrsordnungswidrigkeiten – u.a. den Verstoß gegen das in der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelte Rennverbot – vorsätzlich begangen worden waren. Das gelte auch in Hinblick auf das bewusste Herbeiführen der Gefahrenlage durch die aggressive Fahrweise. Dies habe als prägender Umstand der Tat nicht außer Acht bleiben dürfen.
Dr. Michael Kubiciel, Professor für Strafrecht an der Universität Augsburg, misst diesem Aspekt der Entscheidung eine sehr weitreichende Bedeutung zu, wie er im Gespräch mit LTO erklärte: "Wenn der BGH dieser Ansicht ist, dann bedeutet das, dass in künftigen Raserfällen, bei denen jemand zu Tode kommt, nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe gerechnet werden kann". Schließlich sei es schlichtweg kaum denkbar, dass in einem solchen Fall nicht zuvor schwere Verkehrsverstöße begangen würden.
Im Übrigen merkte der Senat an, das LG habe eine Häufung von Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang aufgrund überhöhter Geschwindigkeit in Köln und an anderen Orten festgestellt. Daher sei die Frage zu erörtern, wie sich eine Strafaussetzung zur Bewährung "auf das allgemeine Rechtsempfinden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts auswirken würde". Dies gelte gerade unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung, die gemäß § 56 Abs. 3 StGB ebenfalls eine Rolle bei der Aussetzungsentscheidung spielt.
Strafhöhe rechtsfehlerfrei ermittelt
Diese Sichtweise kann Prof. Dr. Kubiciel nachvollziehen: "Wir haben es bei Raserfällen nicht mit normalen Verkehrsunfällen zu tun, sondern mit einer neuen Erscheinungsform schwerer Kriminalität. Die zahlreichen Fälle mit und ohne tödlichen Ausgang haben die Bevölkerung verunsichert und manches milde Urteil hat dieses Störgefühl eher bestärkt als beseitigt."
Neben der Strafaussetzung hatte die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision auch die Höhe der verhängten Strafen angegriffen. Hätten diese über zwei Jahren gelegen, so wäre eine Aussetzung zur Bewährung schon gar nicht mehr in Betracht gekommen.
Der BGH entschied nun, das LG habe die Strafhöhe rechtsfehlerfrei bestimmt. "Wenn die Vorinstanz alle wesentlichen Aspekte in ihre Würdigung mit einbezieht, ist der Beurteilungsspielraum für den Bundesgerichtshof sehr beschränkt" erklärte dazu BGH-Pressesprecherin Dietlind Weinland gegenüber LTO. Der Senat sei schließlich auf die Rechtsfehlerprüfung beschränkt. Bei fahrlässiger Tötung kann das Gericht nach § 222 StGB auf eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren erkennen.
Der Fall wurde nun wieder an das LG Köln zurückverwiesen. Das Gericht muss sich also erneut damit auseinandersetzen, ob nach der nun ergangenen Entscheidung noch eine Bewährungsstrafe für die beiden Angeklagten in Betracht kommen kann.
mam/LTO-Redaktion
BGH zu fahrlässiger Tötung einer Radfahrerin: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23382 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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