Oury Jallohs Tod vor dem BGH: "Eine Riesenschlamperei"

28.08.2014

Fast zehn Jahre nach dem Feuertod von Oury Jalloh hat der BGH die bis heute ungeklärten Ereignisse auf einem Polizeirevier in Dessau neu betrachtet. Zum Abschluss einer mehr als zweistündigen Verhandlung sagte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible, der Strafsenat sehe "noch erheblichen Beratungsbedarf". Das Urteil kündigte sie für Donnerstag nächster Woche an.

Es gebe keinen Zweifel daran, "dass in Dessau eine Riesenschlamperei passiert ist, die nicht sein kann und nicht sein darf", sagte Bundesanwalt Johann Schmid. Das sehe er auch an der Fassungslosigkeit der Gesichter im Zuhörerraum. Etwa 40 Unterstützer der Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh verfolgten die Verhandlung im Gerichtssaal. Diese hatten bereits zuvor mit zahlreichen Protestaktionen auf den Fall aufmerksam gemacht.

Die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible betonte, dass es in der Revisionsverhandlung nur darum gehe, ob es bei dem Urteil des Landgerichts (LG) Magdeburg Rechtsfehler gegeben habe. Sie warf in der Verhandlung die Frage auf, ob der heute 54 Jahre alte Polizist Jalloh im Januar 2005 nicht auch hätte freilassen können.

Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Feststellung des LG aufrechterhalten werden kann, dass der Polizist einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag, als er nach der Festnahme Jallohs die erforderliche Einschaltung eines Richters unterließ. Im Prozess hatte der Angeklagte angegeben, auf dem Revier sei das immer so gemacht worden, und der sogenannte Richtervorbehalt sei ihm für solche Fälle nicht bekannt gewesen.

Hätte Jallohs Tod verhindert werden können?

Ein Blick ins Gesetz hätte genügt, um die Unkenntnis zu beseitigen, sagte Bundesanwalt Schmid. "Ein Polizeibeamter hat von Berufs wegen die Gesetze zu kennen, die er tagtäglich anwendet, denn sie sind sein elementares Handwerkszeug." Allerdings könne nicht angenommen werden, dass ein herbeigerufener Richter die Freilassung des Betrunkenen angeordnet hätte. Deshalb beantragte er, die Revisionen gegen das Urteil zurückzuweisen.

Dem widersprach die Hamburger Anwältin Gabriele Heinecke: "Die Entscheidung eines Richters hätte sein müssen: sofortige Freilassung." Schließlich habe die Polizei die Identität Jallohs bereits festgestellt gehabt, so dass es keinen weiteren Grund mehr gegeben habe, ihn festzuhalten. Hingegen erklärte einer der beiden Verteidiger des Polizisten, Attila Teuchtler, es wäre fahrlässig gewesen, Jalloh in seinem Zustand zu entlassen. "Der Angeklagte konnte unter seinen Bedingungen nicht anders handeln." Die Verteidiger beantragten die Aufhebung des Magdeburger Urteils und einen Freispruch ihres Mandanten.

Jalloh, der aus Sierra Leone stammte, kam 2005 auf einem Polizeirevier in Dessau ums Leben, als in seiner Zelle ein Feuer ausbrach. Die Frage, ob Jallohs Tod hätte verhindert werden können, bleibt weiterhin offen.

dpa/age/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Oury Jallohs Tod vor dem BGH: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13023 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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