Mehr als zweieinhalb Jahre schwieg Beate Zschäpe beharrlich. Nun legt sie ihre Sicht auf die beispiellose Mordserie der Terrorgruppe NSU dar - und weist alle Schuld von sich. Zumindest juristisch.
Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe bestreitet eine Beteiligung an den Morden und Sprengstoffanschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Sie will nicht einmal Mitglied des NSU gewesen sein. Zschäpe brach am Mittwoch ihr mehr als zweieinhalbjähriges Schweigen im Münchner NSU-Prozess und ließ ihren Anwalt Mathias Grasel eine 53-seitige Aussage verlesen. Darin beteuerte sie, sie habe von den Morden ihrer Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt immer erst im Nachhinein erfahren und sei entsetzt gewesen. Sie habe Mundlos und Böhnhardt dennoch nicht verraten. "Die beiden waren meine Familie." Zschäpe bat die NSU-Opfer und deren Angehörigen um Entschuldigung.
Die 40-Jährige muss sich in dem Prozess als Mittäterin an allen Verbrechen verantworten, die dem NSU angelastet werden. Sie ist die einzige Überlebende des Trios. Der rechten Gruppe werden im Zeitraum 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt, an neun türkisch- und griechischstämmigen Männern und einer Polizistin. Hinzu kommen zwei Sprengstoffanschläge und mehrere Banküberfälle.
Schwere Kindheit, aber kein Mitglied des NSU
Zschäpe schilderte bei der Aussage ihre Zeit als Jugendliche in Jena, Probleme mit der Mutter, das Abdriften in die rechte Szene, die Liebesbeziehungen zu Böhnhardt und Mundlos und das gemeinsame Untertauchen 1998. Sie stellte sich dabei als passiven Part dar.
Den Vorwurf der Anklage, ein gleichgeordnetes Mitglied des NSU gewesen zu sein, wies sie zurück. Sie sieht sich im juristischen Sinne also als unschuldig an und räumte lediglich ein: "Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte." Angeklagt hat die Staatsanwaltschaft Zschäpe als Mittäterin.
Nach ihrem Untertauchen hätten die drei in ständiger Angst gelebt, entdeckt zu werden, berichtete Zschäpe. Das Geld sei ihnen ausgegangen. Deshalb hätten Mundlos und Böhnhardt mit Überfällen begonnen. Zschäpe bestreitet, daran beteiligt gewesen zu sein. Sie habe diese Überfälle akzeptiert und davon profitiert. Anders sei es mit den Morden gewesen.
Zschäpe wollte sich angeblich stellen
Vom ersten Mord an dem türkischen Blumenhändler Enver Simsek am 9. September 2000 habe sie erst drei Monate später erfahren. Sie sei fassungslos gewesen. Bis heute kenne sie das Motiv für den Mord nicht. Sie habe Böhnhardt und Mundlos erklärt, dass sie sich der Polizei stellen wolle. Daraufhin hätten die beiden mit Selbstmord gedroht. Auch von den weiteren Morden und Anschlägen will sie immer erst im Nachhinein gehört haben.
Als sie von dem zweiten und dritten Mord - im Juni 2001 in Nürnberg und Hamburg - erfahren habe, sei ihr klar geworden, "dass ich resigniert hatte". Zschäpe erklärte: "Mir wurde bewusst, dass ich mit zwei Menschen zusammenlebte, denen ein Menschenleben nichts wert war." Sie sei von den Taten abgestoßen gewesen, habe sich aber nach wie vor zu Böhnhardt hinzogen gefühlt. Sie habe sich dem Schicksal hingegeben, weiter mit den beiden Männern zu leben. "Nicht sie brauchten mich, ich brauchte sie."
Zschäpe äußerte sich auch zu dem letzten NSU-Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn, der bis heute viele Fragen aufwirft. Böhnhardt und Mundlos hätten erklärt, es sei ihnen dabei nur um die Pistolen der beiden Polizisten gegangen, auf die sie geschossen hatten. Ein Polizist hatte den Angriff überlebt.
Einlassung im NSU-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17798 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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