Sechs Jahre nach der gescheiterten Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG hat die Axel Springer AG einen Sieg gegen die Medienwächter errungen. Mit am Mittwoch verkündetem Urteil haben die Münchner Richter der Klage gegen die Versagung einer medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung für eine Beteiligung bei ProSiebenSat.1 im Jahre 2006 stattgegeben.
Fernsehsender bedürfen zur Ausstrahlung ihres Programms einer Zulassung durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM). Bei größeren Veränderungen der Beteiligungen ist eine Genehmigung für die Fortsetzung der Anbietertätigkeit unter den veränderten Beteiligungsverhältnissen ("Unbedenklichkeitsbescheinigung") erforderlich.
Diese Unbedenklichkeitsbescheinigung war mit der Begründung versagt worden, dass Springer mit der damals geplanten Anteilsübernahme über eine vorherrschende Meinungsmacht verfügen würde.
Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) war die für die beklagte BLM bindende Entscheidung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) rechtswidrig, weil Letztere die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums in mehrfacher Hinsicht überschritten habe (Urt. v. 15.02.2012, Az. 7 BV 11.285).
Zuschaueranteil falsch berücksichtigt
Für die Frage, ob eine Veränderung von Beteiligungsverhältnissen medienrechtlich als unbedenklich bestätigt werden könne, seien die Zuschaueranteile von entscheidender Bedeutung. Im maßgeblichen Zeitraum vor der geplanten Übernahme habe der Gesamtzuschaueranteil von Sat.1, ProSieben, Kabel 1, N24 und 9Live bei 22,06 % gelegen. Damit war der Schwellenwert von 25 % nach Auffassung des VGH so deutlich unterschritten, dass die weitere Betätigung der Axel Springer AG auf medienrelevanten verwandten Märkten (Tageszeitungen, Programm- und Publikumszeitschriften, Online-Aktivitäten, Hörfunk) unberücksichtigt bleiben musste.
Es komme hinzu, dass nach dem Rundfunkstaatsvertrag für regionale Fensterprogramme und Sendezeiten für Dritte ein Bonus durch Abzug vom tatsächlichen Zuschaueranteil gewährt werden müsse. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs waren sowohl die Regionalfensterprogramme von Sat.1 als auch die kraft gesetzlicher Verpflichtung eingeräumte Sendezeit für unabhängige Dritte berücksichtigungsfähig. Damit hätte die KEK vom Zuschaueranteil (22,06 %) noch fünf Prozentpunkte abziehen müssen.
Gesamtbeurteilung der KEK fehlerhaft
Die Gesamtbeurteilung der KEK ist nach Auffassung des BayVGH auch deshalb fehlerhaft, weil diese keine besonderen Umstände dargelegt hat, die bei einem knappen Unterschreiten eines Zuschaueranteils von 25 % ausnahmsweise die Annahme vorherrschender Meinungsmacht rechtfertigen würden. Der Rundfunkstaatsvertrag enthalte Regelbeispiele für die Annahme vorherrschender Meinungsmacht bei einem Zuschaueranteil zwischen 25 und 30 %.
Die darin enthaltene Wertung hätte die KEK beachten und sie nicht durch eigene Wertungen ersetzen dürfen. Die Kombination von Einflüssen in Presse und Rundfunk und die starke Stellung der Klägerin auf medienrelevanten verwandten Märkten, auf die die KEK sich gestützt habe, stellten keine besonderen Umstände dar, die den beabsichtigten Zusammenschluss offensichtlich unangemessen erscheinen ließen.
Der BayVGH hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.
tko/LTO-Redaktion
BayVGH: . In: Legal Tribune Online, 15.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5564 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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