Für viele syrische Flüchtlinge ist eine Rückkehr in ihre Heimat derzeit kaum vorstellbar. Dass ihnen die deutschen Asylbehörden dennoch nur Schutz auf Zeit gewähren, beschäftigt inzwischen auch die bayerische Justiz.
Im Streit um den häufig nur eingeschränkten Schutzstatus syrischer Kriegsflüchtlinge kann das Bundesamt für Migration für Flüchtlinge (BAMF) möglicherweise auch mit der Unterstützung oberster bayerischer Verwaltungsrichter rechnen. Dies zeichnete sich am Dienstag bei einer Berufungsverhandlung über vier Präzedenzfälle vor der Ansbacher Außenstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVerwGH) ab. In der Frage "Wie viel Schutz genießen syrische Kriegsflüchtlinge?" hatte sich im November bereits das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hinter das BAMF gestellt.
Bei der Ansbacher Berufungsverhandlung vertrat der zuständige VerwGH-Senat die Auffassung, syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen drohe bei der Rückkehr in ihr Heimatland nicht zwangsläufig eine Verfolgung durch die dortigen Behörden. Wenn die Flüchtlinge bei der Einreise in Syrien verfolgt würden, dann meist aus anderen Gründen, betonte der Senatsvorsitzende Jürgen Wünschmann.
Gefahr nur für Regimegegner?
Eine Festnahme droht nach der VerwGH-Einschätzung zurückkehrenden Flüchtlingen in Syrien nur dann, wenn sie etwa früher dort in Haft saßen, sich in Deutschland politisch engagiert hätten, mit falscher Identität ausgereist oder staatenlose Kurden seien, sagte Wünschmann. "Da sind immer Dinge dazu gekommen." Die Verwaltungsgerichte (VG) sind da oft anderer Meinung, so z.B. das VG Düsseldorf.
Eine genaue Einschätzung sei aber nicht leicht. Es gebe zwar neuere Auskünfte zur Risikolage für rückkehrende Flüchtlinge in Syrien. "Aber daraus ein eindeutiges Bild zu entnehmen, ist schwierig", räumte der Senatsvorsitzende ein. Mit einem Urteil, das höchstwahrscheinlich wegweisend für ähnlich gelagerte Fälle in Bayern sein dürfte, wird erst in ein paar Tagen gerechnet. Derzeit sind beim VerwGH noch weitere 540 ähnliche Fälle anhängig.
Der Senat bewertete die Lage in dem Berufungsverfahren damit anders als das VG Regensburg. Dieses hatte in allen vier nun vom VerwGH verhandelten Fällen die Auffassung vertreten, den klagenden syrischen Flüchtlingen - zwei Frauen und zwei Männern - drohe bei der Rückkehr Verhaftung und Folter. Das Bundesamt müsse ihnen daher den regulären Flüchtlingsstatus statt nur sog. subsidiärem Schutz zuerkennen. Gegen diese und alle ähnlich lautenden Urteile ist das BAMF in Berufung gegangen.
Anwalt: In Syrien drohen Haft und Folter
Bei dem Berufungsverfahren geht es unter anderem um den Fall einer 29 Jahre alten Syrerin und Sunnitin, die 2012 Syrien legal verlassen hatte. Sie und mehrere ihrer Familienangehörigen seien von schiitischen Rebellen massiv bedroht worden, berichtete sie vor Gericht. Die im Januar 2016 in Deutschland eingereiste und inzwischen im oberpfälzischen Berching lebende Frau erhielt von den deutschen Asylbehörden aber nur subsidiären Schutz. Damit darf sie zunächst nur ein Jahr in Deutschland bleiben.
Ihr Anwalt, der Neumarkter Rechtsanwalt Bernd Söhnlein, befürchtet für seine Mandantin und andere syrische Flüchtlinge bei einer Rückkehr in die Heimat Haft und Folter. Anderslautende Informationen des Auswärtigen Amtes hält er für nicht ausreichend fundiert. Nachdem die Bundesregierung ihre diplomatischen Beziehungen zu Syrien abgebrochen habe, "sind diplomatische Kanäle ins das Land praktisch nicht mehr existent", wandte er ein. Wie groß die Gefahr für Rückkehrer in Syrien sei, belegten auch Informationen der kanadischen Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde.
dpa/acr/LTO-Redaktion
BayVerwGH zur Lage in Syrien: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21372 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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