BAG: Arbeit­geber muss Beset­zung freier Arbeits­plätze mit Schwer­be­hin­derten prüfen

14.10.2011

Die Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen besteht immer und für alle Arbeitgeber. Sie ist unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Das entschied das BAG am Donnerstag.

Verletzt ein Arbeitgeber diese Prüfpflicht, so stellt dies ein Indiz dafür dar, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat, weil er seine Förderungspflichten unbeachtet gelassen hat (Urt. v. 13.10.2011, Az. 8 AZR 608/10).

Arbeitgeber seien verpflichtet zu prüfen, ob sie freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen können, so das Bundesarbeitsgericht (BAG). Um auch arbeitslose oder arbeitssuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen zu berücksichtigen, müssten sie frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen. Diese in § 81 Abs. 1 SGB IX geregelte gesetzliche Pflicht treffe alle Arbeitgeber, nicht nur die des öffentlichen Dienstes. Ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber könne sich darauf berufen, dass die Verletzung dieser Pflicht seine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lasse.

In dem zugrunde liegenden Fall hat der mit einem Grad von 60 schwerbehinderte Kläger eine kaufmännische Berufsausbildung, ein Fachhochschulstudium der Betriebswirtschaft und die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst absolviert. Er bewarb sich bei der beklagten Gemeinde auf deren ausgeschriebene Stelle für eine Mutterschaftsvertretung in den Bereichen Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt.

Schwerbehinderter verlangt Entschädigung nach dem AGG

Die Gemeinde besetzte die Stelle anderweitig, ohne zuvor zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann oder diesbezüglich Kontakt zur Agentur für Arbeit aufgenommen zu haben. Der Kläger verlangte daraufhin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), da er sich wegen seiner Behinderung benachteiligt sah.

Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, war die Revision des Mannes erfolgreich. Nach Ansicht des BAG hat die Gemeinde die Vermutung einer Benachteiligung nicht widerlegen können. Der Achte Senat wies die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück, das noch über die Höhe der dem Kläger zustehenden Entschädigung zu entscheiden haben wird.

tko/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

BAG: . In: Legal Tribune Online, 14.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4554 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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