BAG zum Lohnzuschlag: Nachts sind alle Arbeiter gleich

10.12.2020

Nur weil Angestellte schichtweise in der Nacht arbeiten, dürfen sie nicht weniger Zuschläge bekommen als ihre unregelmäßig nachts arbeitenden Kollegen, so das BAG. Bei ungleichmäßiger Nachtarbeit ohne Schichtsystem könnte das anders sein.

Nachtarbeitende in der deutschen Lebensmittelindustrie bekommen unterschiedliche Zuschläge. Regelungen, wonach sich der Zuschlag aber halbiert, wenn innerhalb eines Schichtsystem gearbeitet wird, können rechtswidrig seien, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Mittwoch.

Schichtarbeiter könnten den höheren Zuschlag von 50 Prozent verlangen, "um mit den nicht regelmäßig nachts Arbeitenden gleichbehandelt zu werden". In einem anderen Verfahren, in dem es um unterschiedlich hohe Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit ging, riefen die Erfurter Richter den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an.

Nacht- und Nachtschichtarbeit sind vergleichbar

Im ersten Fall hatte ein Angestellter aus Hamburg geklagt, der in einer Brauerei Schichtarbeit leistet. Nach dem Manteltarifvertrag erhalten die Mitarbeiter der Nachschicht von 22 Uhr bis sechs Uhr morgens dort einen 25-prozentigen Zuschlag zum normalen Stundenentgelt. Für Nachtarbeit, die in demselben Zeitraum außerhalb eines Schichtsystems erbracht wird, sieht der Tarifvertrag einen Zuschlag von 50 Prozent vor. Die Brauerei begründet dies damit, dass Arbeitnehmer, die unvorbereitet zur Nachtarbeit eingesetzt werden, eine höhere Belastung hätten.  

Das BAG entschied nun, dass Nachtarbeitnehmer und Nachtschichtarbeitnehmer miteinander vergleichbar seien (Urt. v. 09.12.2020, Az. 10 AZR 334/20). Nach dem Manteltarifvertrag seien bei der Nachtarbeit außerhalb des Schichtsystems auch private und kulturelle Wünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen. Der höhere Zuschlag für Nachtarbeitnehmer könne aber nicht den Zweck haben, ihre Freizeit vor Eingriffen durch den Arbeitgeber zu schützen, so der 10. Senat. Andere sachliche Gründe, die die schlechtere Behandlung der Nachtschichtarbeiter rechtfertigen könnten, ließen sich dem zugrundeliegenden Manteltarifvertrag nicht entnehmen.

Der Beschäftigte kann nun den höheren Zuschlag verlangen, um mit den nicht regelmäßig nachts Arbeitenden gem. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gleichbehandelt zu werden (sog. Anpassung nach oben). Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wertete das Urteil als Erfolg.

Regel- und unregelmäßige Nachtarbeit und die Arbeitszeitrichtlinie

In dem zweiten Fall legte der Senat dem EuGH die Frage vor, ob unterschiedlich hohe Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit gegen die Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) verstoßen und ob diese Regelungen gleichbehandlungswidrig sind (Beschl. v. 09.12.2020, Az. 10 AZR 332/20 (A)). Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sieht nämlich vor, dass vor dem Gesetz alle Personen gleich sind. Ein höherer Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit könnte aber dadurch gerechtfertigt werden, dass neben gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch Belastungen durch die schlechtere Planbarkeit der Arbeitszeit ausgeglichen werden solle. Eine Frage, die sich nach Auffassung des BAG auch für viele anderer Tarifverträge  stellt.

Bei dem anhängigen Verfahren geht es um den Manteltarifvertrag der Erfrischungsgetränke-Industrie. Er sieht bei regelmäßiger Nachtarbeit einen Zuschlag von 20 Prozent und bei unregelmäßiger Nachtarbeit von 50 Prozent der Stundenvergütung vor. Nach NGG-Angaben liegen tausende Verfahren zur Auslegung von Tarifregelungen mit Arbeitgeberverbänden der Ernährungsindustrie bei den Arbeitsgerichten.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

BAG zum Lohnzuschlag: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43698 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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