Die Minister für Inneres und Justiz von Nordhrein-Westfalen hätten dem Untersuchungsausschuss zum Kindesmissbrauch in Lügde die Akten nicht vollständig vorgelegt. Damit verletzten sie die Rechte der Landtagsabgeordneten, so der VerfGH.
In einem Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Nordrhein-Westfalen haben die Abgeordneten von SPD und Grünen teilweise Erfolg. Der VerfGH stellte einen Verstoß gegen die Landesverfassung fest (Urt. v. 20.04.2021, Az. VerfGH 177/20). Die zuständigen Minister hätten dem Untersuchungsausschuss einen wesentlichen Teil der angeforderten Akten nicht zugeleitet. Dies verletze des Recht der Ausschussminderheit auf vollständige Aktenvorlage gemäß Artikel 41 Abs. 1 und 2 Landesverfassung Nordhrein-Westfalen (LV NRW).
In dem Untersuchungsausschuss "PUA IV - Kindesmissbrauch" des Landtags NRW geht es um die sexuellen Übergriffe auf Kinder und Jugendliche insbesondere auf einem Campingplatz in Lügde. Hierbei sollen mögliche Versäumnisse der Landesregierung und nachgeordneter Behörden untersucht werden. Der Untersuchungsausschuss forderte dafür bei Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) und Landesjustizminister Peter Biesenbach (CDU) sämtliche Unterlagen und Akten an. Die Minister leiteten jedoch einen Teil der Akten nicht an den Untersuchungsausschuss weiter. Bereits seit Frühsommer 2020 ist laut dem Urteil des VerfGH erkennbar gewesen, dass die - für den Opferschutz notwendige - aufwendige Pseudonymisierung der Akten mit den vorhandenen personellen und zeitlichen Ressourcen nicht ohne Verzögerung gelingen würde. Dem sei nicht angemessen entgegengewirkt worden. Zudem sei es gegenüber dem Untersuchungsausschuss nur unzureichend kommuniziert worden, so der VerfGH.
Landtagsbgeordnete von SPD und Grünen äußerten ihre Zufriedenheit über die Entscheidung. Mit dem Urteil seien die Rechte des Parlaments gestärkt worden, so die Abgeordneten.
Es war gleichzeitig die letzte Urteilsverkündung des VerfGH durch Ricarda Brandts als Präsidentin. Die 65-Jährige wird Ende Mai in den Ruhestand gehen. Seit 2010 ist Brandts zugleich Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW und Präsidentin des VerfGH, nachdem sie zunächst als Sozialrichterin tätig gewesen war. Im Jahr 2018 übte Brandts im Fall Sami A. scharfe Kritik an den zuständingen Behörden und Ministern, denn diese hatten entgegen eines anderslautenden Urteils des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen die Abschiebung von Sami A. vollzogen. Dabei erinnerte Brandts entgegen der Aussagen von Innenminister Reul daran, dass Gerichte unabhänig von der Mehrheitsmeinung urteilen müssten. Die Nachfolge von Brandts als Präsidentin des VerfGH und als Präsidentin des OVG ist noch nicht geklärt, so ein Sprecher des Justizministeriums.
dpa/jb/LTO-Redaktion
VerfGH NRW: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44768 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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