Der jahrelange Rechtsstreit um die Tagesschau-App ist mit einer Entscheidung gegen die ARD zu Ende gegangen. Das Angebot der App Mitte 2011 sei presseähnlich und daher unzulässig gewesen. Was daraus für die Gegenwart folgt, ist jedoch umstritten.
Die 'Tagesschau App' ist, so wie sie am 15. Juni 2011 abrufbar war, unzulässig. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln heute entschieden und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten untersagt, die App in dieser Form zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Damit hat die Unterlassungsklage von elf führenden deutschen Verlagshäusern weitgehend Erfolg (Urt. v. 30.09.2016, Az. 6 U 188/12).
Die Klage war darauf gestützt, dass die Tagesschau-App den Markt verzerre, weil die ARD sie mit dem Rundfunkbeitrag finanziere. Dies verstoße gegen den Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Nach § 11d RStV ist es den öffentlich-rechtlichen Anbietern untersagt, "nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote" in Telemedien zu verbreiten. Das Verbot hat zumindest auch den Zweck, die Presseverlage vor weitgreifenden Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet zu schützen. Die ARD hält dem entgegen, dass die App viele audiovisuelle Angebote umfasse, wie sie so bei entsprechenden Angeboten von Zeitungsverlagen nicht vorstellbar seien.
Tagesschau-App ist nach Maßstäben des BGH presseähnlich
Die Kölner Richter führten nun aus, dass schon die Start- und Übersichtsseiten der App ausschließlich aus Text und Standbildern bestünden. Sie enthielten überwiegend Verweise auf - ggf. bebilderte - Textseiten. Auch bei den nachgelagerten Ebenen handele es sich um geschlossene Nachrichtentexte, die aus sich heraus verständlich und teilweise mit Standbildern illustriert seien. Insgesamt stünden Texte und Standbilder bei der Gestaltung im Vordergrund. Damit sei die App nach den Vorgaben des BGH als "presseähnlich" zu qualifizieren.
NDR-Justiziar Michael Kühn betonte, das Kölner Urteil habe auf tagesschau.de und die darauf basierende Tagesschau-App keinen unmittelbaren Einfluss, da es in dem Verfahren nur um einen Tag aus dem Jahr 2011 gegangen sei. Seit damals habe sich das Erscheinungsbild von tagesschau.de erheblich geändert. So sei das Video- und Audio-Angebot deutlich verstärkt worden.
Die Zeitungsverlage sehen das ganz anders. Ihrer Meinung nach sind die bisherigen Anpassungen noch lange nicht ausreichend. Die Bedeutung des Urteils reiche weit über die Ausgabe vom 15. Juni 2011 hinaus, betonte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Dietmar Wolff. "Mit neuen Nachrichten-Apps wie RBB24, BR24 oder ARDText haben die Landesrundfunkanstalten ihr Textangebot im Internet in einer Weise ausgeweitet, die mit der heutigen Entscheidung des OLG Köln unvereinbar ist", kritisierte er.
OLG hatte die Klage zunächst noch abgewiesen
Zunächst hatte das OLG Köln die Klage abgewiesen, weil der Rundfunkrat des federführenden NDR in einem Telemedienkonzept die Tagesschau-App als nicht presseähnlich eingestuft hatte (Urt. v. 20.12.2013 – Az. 6 U 188/12). Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte später eine Bindungswirkung der Entscheidung des Rundfunkrates abgelehnt und dem Oberlandesgericht Köln aufgegeben, selbst zu überprüfen, ob das Angebot der App presseähnlich sei. Dabei dürfe, so der BGH, das Angebot der App nicht durch "stehende" Texte und Bilder geprägt sein, sondern müsse den Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung haben.
Eine Revision gegen das heutige Urteil wurde nicht zugelassen, da nach der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof nunmehr nur die die konkreten Umstände des Einzelfalles zu würdigen waren.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
OLG Köln urteilt zugunsten von Print-Verlegern: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20748 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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