FG rüffelt Bundesregierung: Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt soll über Kin­der­frei­be­träge ent­scheiden

02.12.2016

Die Berechnung der Kinderfreibeträge bei der Steuer ist aus Sicht des niedersächsischen Finanzgerichts verfassungswidrig, nun soll das BVerfG sich äußern. Dessen Entscheidung könnte Eltern deutschlandweit mehr Geld bescheren.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) soll die Höhe der Kinderfreibeträge für Steuerzahler überprüfen. Das hat am Freitag das niedersächsische Finanzgericht (FG) in Hannover entschieden (Az. 7 K 83/16). Das Gericht hält die Höhe und die Berechnung der Kinderfreibeträge durch die Bundesregierung für verfassungswidrig. "Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt", so die Richterin.

Eine verwitwete Mutter von zwei Töchtern hatte gegen einen aus ihrer Sicht zu niedrigen Kinderfreibetrag im Jahr 2014 geklagt. Ihr seien dadurch mehrere hundert Euro an Steuervergünstigungen entgangen. Das Finanzgericht stimmte ihr zu: Die Bundesregierung sei ihren eigenen Ankündigungen nicht nachgekommen und habe den Kinderfreibetrag 2014 zu niedrig angesetzt, hieß es.

Darüber hinaus stellte das Gericht gleich die gesamte Berechnung des Kinderfreibetrags durch die Bundesregierung in Frage. Bemängelt werden dabei zwei Punkte.

Existenzminimum: Staffelung im Sozial-, nicht aber im Steuerrecht

Um den Kinderfreibetrag zu berechnen, legt die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen ein sogenanntes sächliches Existenzminium für Kinder fest. Das ist der Teil des elterlichen Einkommens, der steuerfrei bleibt, um den Kindern Lebensnotwendigkeiten wie Essen und Kleidung finanzieren zu können.

Dieses steuerliche Existenzminimum wird auf Grundlage der Regelsätze berechnet, die die Eltern im Sozialhilfefall für ihre Kinder bekämen. Im Sozialhilferecht sind diese Sätze gestaffelt: Je älter das Kind ist, umso mehr Geld gibt es im Monat für die Eltern.

Im Steuerrecht verzichtet der Gesetzgeber aber auf diese Staffelung. Für das Existenzminimum wird stattdessen der Durchschnitt aus den Regelsätzen der Sozialhilfe berechnet, der dann für alle Kinder bis 18 Jahre gilt.

Das führt zu der paradoxen Situation, dass das steuerliche Existenzminium eines 17-Jährigen (258 Euro pro Monat im Jahr 2014) unter dem Sozialhilfe-Regelsatz eines Sechsjährigen liegt (261 Euro).
Das ist nach Ansicht der Richter verfassungswidrig: "Wenn der Gesetzgeber das Existenzminimum für alle Altersstufen gleichsetzt, dann muss am Ende dabei mehr herauskommen als das Sozialhilfeminimum."

Fehlende Berechnung für Mindestbedarf bei Volljährigen

Das Problem ist aus Sicht des Gerichts aber nicht nur die einheitliche Festlegung des Existenzminimums für alle Altersstufen im Steuerrecht. Die Richter bemängeln auch, dass es für volljährige Kinder keine eigene Berechnung für den Mindestbedarf gibt.

Wenn die Kinder 18 Jahre alt werden, können die Eltern zwar weiter den Kinderfreibetrag in der Einkommenssteuererklärung ansetzen. Doch an der Höhe ändert sich nichts mehr. "Die Bundesregierung muss deshalb aus unserer Sicht einen eigenen Bedarf für Volljährige feststellen", führte das Gericht weiter aus.

Entscheiden darüber soll nun das BVferG. Hält es die Freibeträge dann für zu gering, könnten Millionen Eltern eine Erstattung erhalten. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es der Bundesregierung eine Frist einräumen wird, innerhalb derer sie die möglicherweise verfassungswidrigen Punkte ausbessern müsste. "Bis es soweit ist, können aber locker drei bis vier Jahre vergehen", schätzte ein Sprecher des FG.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

FG rüffelt Bundesregierung: . In: Legal Tribune Online, 02.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21338 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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