Was würde ein "durchschnittlicher und gewissenhafter Hundebesitzer" tun? Das ist für das LG Koblenz der Maßstab zur Beurteilung des Mitverschuldens bei Hundebissen.
Das Landgericht (LG) Koblenz hat mehrere Fragen zur Haftung und zum Mitverschulden bei Hundebissen entschieden (Urt. v. 12.06.2023, Az. 5 O 38/21).
Was ein nettes Gespräch am Gartenzaun während eines abendlichen Hundespaziergangs werden sollte, ist vor dem Landgericht geendet. Der Kläger führte seinen Hund an der Leine, als er am Nachbarhaus stehen blieb, um sich mit dem dort gemeinsam mit seiner Ehefrau wohnhaften Beklagten zu unterhalten. Der Hund der Ehefrau befand sich dabei zunächst in der Garage und war nicht angeleint. Nach kurzer Zeit lief der Hund aus der Garage auf den angeleinten Hund des Klägers zu, es kam zu einem Gerangel auf dem Bürgersteig.
Dem beklagten Mann war dabei bewusst, dass er den Hund weder körperlich noch durch Zurufe zum Anhalten bewegen konnte, als dieser auf den anderen Hund zulief. Der Kläger versuchte, die beiden Hunde voneinander zu trennen. Dabei biss ihm einer der beiden Hunde in die Hand, wobei letztlich nicht geklärt werden konnte, durch welchen Hund der Biss erfolgte. Aufgrund des Bisses erlitt der Kläger eine ca. zwei Zentimeter lange Bisswunde am rechten Ringfinger, wobei ein Nervenast durchtrennt wurde. Die Verletzungsfolgen mit Taubheitsgefühl, Bewegungsein-schränkung, Kraftminderung und Narbenbildung des rechten Ringfingers sind dauerhaft.
Der als selbstständiger Dachdecker tätige Kläger begehrte deshalb Schadensersatz für den Verdienstausfall in Höhe von ca. 7.000 Euro sowie Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro. Er verklagte insoweit die Ehefrau als Halterin des Hundes sowie deren Ehemann.
Der "durchschnittliche und gewissenhafte Hundebesitzer"
Die 5. Zivilkammer des LG Koblenz gab der Klage teilweise statt. Die Eheleute haften dabei dem Grunde nach als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB. Einerseits haftet die Frau als Halterin des Hundes aufgrund der Tierhaltergefährdungshaftung gemäß § 833 S. 1 BGB. Ob ihr Hund tatsächlich zugebisssen hat, könne letztlich dahinstehen, da bereits die bloße Mitverursachung bzw. ein bloßes mittelbares Verursachen ausreiche, um die Haftungsvoraussetzungen zu erfüllen, so das Gericht.
Für den Ehemann, der nicht Halter des Hundes ist, bejahte die Kammer ausnahmsweise einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Zwar durfte der Hund auf dem Grundstück grundsätzlich unangeleint sein. Allerdings liege hier gleichwohl ein Sorgfaltspflichtverstoß des Mannes vor, denn ihm sei bewusst gewesen, dass er den Hund nicht davon abhalten könne, das Grundstück zu verlassen.
Wiederum liegt nach Überzeugung der Kammer ein Mitverschulden des Klägers vor, weil dieser in das Geschehen eingegriffen hatte. Dadurch mindert sich die Haftung um 50 Prozent. Aus Sicht des Gerichts hätte ein "durchschnittlicher und gewissenhafter Hundebesitzer" in einer solchen Situation weder versucht, dem herbeilaufenden Hund den Weg zu verstellen noch hätte nach diesem Maßstab in das Geschehen eingegriffen werden dürfen.
Daher wurden die beklagten Eheleute in dem bereits rechtskräftigen Urteil zur Zahlung von insgesamt 7.500 Euro verurteilt, wobei das Schmerzensgeld insoweit 4.000 Euro beträgt.
jb/LTO-Redaktion
LG Koblenz zur Tierhalterhaftung: . In: Legal Tribune Online, 01.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52392 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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