Bei einem Unfall opferte ein Juraprofessor sein Leben, um seine Tochter zu retten. Würdigen wollte die Unfallkasse dies mit einer Mehrleistung. Dass diese allerdings nie wirklich bei der Familie ankam, ist nicht in Ordnung, so das BVerwG.
Ein tragisches Ereignis in Venedig erschütterte vor elf Jahren die Familie des Juraprofessors Joachim Vogel aus München. Während einer Bootsfahrt auf dem Canal Grande kam es zu einem Unfall, bei dem der ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht an der LMU München sein Leben opferte, um seine dreijährige Tochter zu retten. Um die Tat zu honorieren, zahlte die Unfallkasse Mehrleistungen an seine Familie aus. Im Gegenzug wurden jedoch die Leistungen aus der Hinterbliebenenversorgung gekürzt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwerG) stellt nun klar, dass das so nicht hätte geschehen dürfen (Urt. v. 11.04.2024, Az. 2 C 6.23).
Im August 2013 hatte der Jurist einen Ausflug mit seiner Familie auf dem Canal Grande in Venedig unternommen. Dort kam es in der Nähe der berühmten Rialto-Brücke zu einem Unfall, als ein Wassertaxi rückwärts fuhr und mit der Gondel der deutschen Familie kollidierte. Die Gondel wurde daraufhin gegen einen Pier gedrückt. Der Gondoliere verlor nach eigenen Angaben die Kontrolle über das Boot, als er versuchte, anderen Gondeln und Taxen an der Brücke auszuweichen. Drei Wasserbus- und ein Wassertaxifahrer wurden nach dem Vorfall in Venedig zu Haftstrafen verurteilt, die jedoch allesamt zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Während die anderen Familienmitglieder unverletzt blieben, wurde der Professor zwischen dem Boot und dem Pier eingeklemmt und verstarb sofort. Trotz sofortiger Rettungsversuche konnte nur noch sein Tod festgestellt werden. Seine Tochter, über die er sich schützend beugte, überlebte mit einigen Verletzungen.
Mehrleistungen für Retter in der Not
Wer anderen Menschen in der Not hilft, für den gilt eine besondere Regelung: Erleidet die rettende Person dabei selbst einen Schaden, erhält sie eine zusätzliche Leistung von der gesetzlichen Unfallkasse (§ 94 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a) SGB VII). Verstirbt der Helfende, so geht der Anspruch wie üblich auf seine Erben über.
Die Familie des Professors erhielt diese Hilfe auch, allerdings nur faktisch. Praktisch blieb am Ende kaum was von der Mehrleistung über, denn der Freistaat Bayern rechnete diesen auf die Hinterbliebenenversorgung an. Klagen der Familie gegen diese Entscheidung blieben zunächst erfolglos.
Es wurde an falscher Stelle gekürzt
Das BVerwG hat jedoch in seinem jüngsten Urteil entschieden, dass die Kürzung der Hinterbliebenenversorgung nicht rechtens war. Die Mehrleistungen aus der Unfallkasse sollten die außergewöhnliche Tapferkeit des Professors würdigen und seien nicht als Ersatz für die Hinterbliebenenversorgung gedacht.
Zwar gibt es im Beamtenversorgungsrecht Anrechnungsregeln, deren Ziel es ist, eine Doppelversorgung des Beamten aus öffentlichen Mitteln zu verhindern. Allerdings betrifft das solche Situationen, in denen Beamte neben ihren Versorgungsbezügen auch Ansprüche auf Leistungen aus Sozialversicherungen mit Lohnersatz- oder Unterhaltsersatzfunktion haben.
Jedoch liegt dieser Fall gerade nicht vor, da die zusätzlichen Leistungen gemäß dem SGB VII nicht dem Lebensunterhalt dienen. Stattdessen sollen sie die Opferbereitschaft Einzelner im Interesse des Gemeinwohls honorieren. Ein kleiner Trost für die Familie des verstorbenen Professors.
xp/LTO-Redaktion
Elf Jahre nach Gondelunfall in Venedig: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54320 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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