Der Terminus "Kind als Schaden" wird den meisten Juristen insbesondere während des Studiums untergekommen sein. Das OLG Hamm musste nun einen ähnlichen Fall entscheiden - und schlug sich auf die Seite des behandelnden Arztes.
Eine Mutter verlangte von ihrem Arzt Schmerzensgeld und Ersatz von Unterhaltskosten für eine ungewollte Schwangerschaft. So weit, so lehrbuchmäßig. Die juristische Figur des "Kinds als Schaden" ist weitgehend anerkannt. Behandelt ein Arzt die Patientin fehlerhaft und wird sie deshalb ungewollt schwanger, ist der Arzt schadensersatzpflichtig. Dabei ist natürlich nicht das Kind der Schaden, sondern die Unterhaltskosten, die für das Kind aufgewendet werden müssen.
Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) hatte nun einen solchen Fall zu entscheiden. Geklagt hatte eine Mutter, die aus ihrer Sicht von ihrem Gynäkologen fehlerhaft behandelt wurde. Dieser hatte auf Verlangen der Mutter den sogenannten Anti-Müller-Hormon-Wert (AMH-Wert) bestimmt und sie fehlerhaft über die Aussagekraft dieses Wertes aufgeklärt, so die Patientin. Der AMH-Wert gibt Aufschluss darüber, wie viele Eizellen eine Frau produziert und gilt damit als Indiz in der Reproduktionsmedizin. Nachdem der Mutter ein niedriger AMH-Wert attestiert wurde, stellte sie die Empfängnisverhütung ein und wurde ungewollt schwanger. Die Klage gegen den behandelnden Gynäkologen blieb jedoch erfolglos (Urt. v. 19.06.2018, Az.26 U 91/17).
OLG sieht Patientin in der Pflicht
Denn der Arzt habe die Patientin darauf hingewiesen, dass der AMH-Wert alleine nicht aussagekräftig genug ist und das auf andere Arten der Empfängnisverhütung nicht verzichtet werden sollte. Der Gynäkologe sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Patientin von sich aus nach dem Erhalt des AMH-Wertes (erneut) über dessen geringen Aussagewert und das Erfordernis weiterer Verhütung aufzuklären.
Ihre Aufklärung in dem ersten Gespräch sei ausreichend gewesen. In dieser Situation sei von einem behandelnden Gynäkologen kein weiteres eigenständiges Nachfragen bei einer Patientin zu verlangen. Die Entscheidung, ob sie weiterhin Verhütung betreiben oder diese unterlassen wolle, habe allein der Patientin oblegen. Es sei daher ihre Sache gewesen, dem Gynäkologen von sich aus weitere Fragen zu stellen.
Das OLG Hamm hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) nicht zugelassen. Dagegen hat die Patientin bereits Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.
tik/LTO-Redaktion
OLG Hamm zum "Kind als Schaden": . In: Legal Tribune Online, 19.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29233 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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