In der Energiekrise profitierten Stromerzeuger von hohen Preisen, während ihre Kosten in etwa gleich blieben. Die Regierung ließ die zusätzlichen Gewinne mit dem Strompreisbremsegesetz teils abschöpfen. Zu Unrecht?
Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verhandelt heute die Verfassungsbeschwerden von 22 Ökostromanlagen-Betreibern. Sie wehren gegen die Abschöpfung ihrer Gewinne zur Finanzierung der Strompreisbremse (Az. 1 BvR 460/23 und 1 BvR 611/23).
Als durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine die Strompreise in Deutschland zu explodieren drohten, führte die Bundesregierung Ende 2022 ein neues Gesetz ein ("Doppel-Wumms"). Mit einer Strompreisbremse sollten Haushalte und Unternehmen vor zu hohen Preisen geschützt werden. Doch nicht alle profitierten davon. Konkret geht es in dem Verfahren um die §§ 13, 14, 15, 16, 17 und 18 sowie gegen § 29 Strompreisbremsegesetz (StromPBG).
Was genau war noch mal die Strompreisbremse?
Die Strompreisbremse sollte Haushalte und Unternehmen bei damals steigenden Strompreisen entlasten. Ein Teil des Stromverbrauchs wurde dabei zu einem festgelegten, günstigeren Preis angeboten. So erhielten Haushalte und kleinere Unternehmen 80 Prozent ihres bisherigen Stromverbrauchs zu einem garantierten Bruttopreis von 40 Cent pro Kilowattstunde. Für Industriekunden lag die Grenze bei 13 Cent für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs. Mitfinanziert wurde das Ganze aus sogenannten Überschusserlösen - etwa von Ökostrom-Produzenten, die von den hohen Preisen profitiert hatten.
Und was sind Überschusserlöse?
Mit Zufallsgewinnen oder Überschusserlösen sind Gewinne gemeint, die damals deutlich über den erwartbaren Gewinnen der Unternehmen lagen. Ursache waren die extrem hohen Gaspreise infolge des russischen Angriffskriegs.
Weil Gaskraftwerke oft die teuersten Kraftwerke im Strom-Großhandel sind und den Preis für alle anderen Kraftwerke setzen, profitierten auch die anderen Erzeugungsarten von den hohen Strompreisen, während ihre Kosten in etwa gleich blieben. So konnten etwa Erneuerbare-Energien- oder Braunkohle-Anlagen ihren Strom zu Preisen verkaufen, die weit oberhalb ihrer Produktionskosten lagen. Diese Überschusserlöse wurden vom 1. Dezember 2022 bis 30. Juni 2023 abgeschöpft.
Was kritisieren die Unternehmen?
Nach Ansicht der beschwerdeführenden Betreiber war die im Strompreisbremsegesetz festgehaltene Abschöpfung ihrer Überschusserlöse verfassungswidrig. Verbraucher zu entlasten liege schließlich nicht in ihrer Verantwortung, sondern sei eine gesamtgesellschaftliche und daher aus Steuermitteln zu finanzierende Aufgabe. Die Stromkosten seien zudem eben nicht wegen der erneuerbaren Energien so hoch gewesen, sondern wegen der kriegsbedingt angestiegenen Gaspreise vor allem durch die Gaskraftwerke verursacht worden. Ausgerechnet diese seien aber von der Abschöpfung ausgenommen gewesen.
Fraglich ist also insbesondere die Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie eventuell auch mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. In einem Gutachten zu dieser Thematik von Ende 2022 hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Ergebnis die Verhältnismäßigkeit eines solchen Eingriffs grundsätzlich bejaht.
Prof. Dr. Thomas Fischer sah in seiner LTO-Kolumne im Herbst 2022 ebenfalls bereits Konfliktpotenzial in der Abschöpfung von Überschusserlösen.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Fragen und Antworten zur mündlichen Verhandlung: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55483 (abgerufen am: 29.10.2024 )
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