OVG Nordrhein-Westfalen zum Asylrecht: Kein pau­schaler Schutz­status mehr für Syrer

23.07.2024

Seit 2011 sind Hunderttausende Syrer vor Krieg und Gewalt nach Deutschland geflohen. Aber besteht in Syrien immer noch eine allgemeine Gefahr für Leib und Leben der Zivilbevölkerung? Nein, sagt das OVG in Münster als erstes OVG.

Für Asylbewerber aus Syrien sieht das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster derzeit keine pauschale Gefahr durch einen Bürgerkrieg mehr. Die erste obergerichtliche Entscheidung dieser Art stehe damit gegen die bislang gängige Praxis beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), syrischen Asylbewerbern im Regelfall den sogenannten subsidiären Schutz als Bürgerkriegsflüchtlinge zuzusprechen, sagte ein Gerichtssprecher über die jetzt veröffentlichte Entscheidung (Urt. v. 16.07.2024, Az. 14 A 2847/19.A). 

Dieser eingeschränkte Schutz gilt für Menschen, die nicht als individuell verfolgte Flüchtlinge anerkannt werden, aber stichhaltige Gründe liefern, warum ihnen bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ernsthafte Schäden – etwa durch Bürgerkrieg – drohen. Auch für Syrien war in Asylverfahren aufgrund der dortigen Lage bislang im Regelfall von einer solchen ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit von Zivilisten ausgegangen worden.

Zuletzt hatte es zum Beispiel vom Landkreistag und aus der Union Forderungen gegeben, Syrern den subsidiären Schutz der bereits die unterste Ebene für Schutzsuchende ist nicht mehr zuzusprechen. Dagegen wandte sich der Verband Pro Asyl, der dadurch eine Aufwertung des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad befürchtet.

"Zivilpersonen müssen nicht mehr damit rechnen, getötet oder verletzt zu werden"

Im Falle des Klägers, einem syrischen Staatsangehörigen aus der Provinz Hasaka, sah der 14. Senat die entsprechenden Voraussetzungen weder in dessen Heimatregion im Nordosten noch in Syrien allgemein als gegeben an und wies die Klage daher ab. 

Zwar fänden zum Beispiel in der Provinz Hasaka noch bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und verbündeten Milizen einerseits und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) andererseits statt. Gelegentlich komme es auch zu Anschlägen des Islamischen Staates auf Einrichtungen der kurdischen Selbstverwaltung. Diese bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschläge erreichten jedoch kein solches Niveau mehr, dass Zivilpersonen damit rechnen müssten, getötet oder verletzt zu werden, begründete der Senat seine Entscheidung.

Kein subsidiärer Schutz für Kläger auch wegen Straftaten

Im vorliegenden Fall benannten die Richter zudem einen weiteren Grund, der sowohl gegen die Anerkennung als Flüchtling als auch die des subsidiären Schutzes spreche: Der klagende Syrer hatte sich vor seiner Einreise nach Deutschland an der Einschleusung von Menschen aus der Türkei nach Europa beteiligt. Er war deswegen in Österreich bereits zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. 

Schon wegen der von ihm begangenen Straftaten sei er daher von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, so das OVG. Der Kläger war vor Gericht gezogen, weil er den vollen Schutzstatus als Flüchtling zugesprochen bekommen wollte. Damit hatte er in erster Instanz auch noch Erfolg gehabt, jedoch war die Berufung des BAMF vor dem OVG nunmehr erfolgreich. Die Revision ließ der Senat nicht zu. Dagegen könnte der Kläger noch Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht einlegen.

dpa/jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG Nordrhein-Westfalen zum Asylrecht: . In: Legal Tribune Online, 23.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55055 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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