Ein Bio-Landwirt verlangt von VW Maßnahmen für mehr Klimaschutz. So soll ab sofort nur noch in jedes vierte Fahrzeug ein Verbrennungsmotor eingebaut werden. Zumindest in erster Instanz wird er mit dieser Klage aber keinen Erfolg haben.
Es ist die klassische David-gegen-Goliath-Geschichte: Bio-Bauer Ulf Allhoff-Cramer gegen Volkswagen (VW). Der Landwirt aus der nordrhein-westfälischen Provinz will Europas Autobau-Marktführer zwingen, klimafreundlichere Fahrzeuge zu produzieren. Er habe Ernteausfälle erlitten, die auf den Klimawandel zurückzuführen seien und für diesen sei nunmal auch VW mitverantwortlich, so der Landwirt.
Der von der Umweltschutzorganisation Greenpeace unterstützte Bio-Bauer aus Detmold will vor dem örtlichen Landgericht (LG) gerichtlich durchsetzen, dass der Autokonzern "übermäßige" Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid unterlässt (Az. 01 O 199/21). Der Automobilkonzern soll unter anderem verpflichtet werden, von heute bis einschließlich 2029 nur noch maximal ein Viertel der konzernweit verkauften Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren bestücken zu dürfen. Ab 2030 soll VW gar keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr verkaufen dürfen.
Die FAZ schrieb am Donnerstag, das LG stehe vor der "Pionieraufgabe" zu entscheiden, ob das deutsche Zivilrecht tatasächlich den Anspruch "auf Unterlassung und Beseitigung übermässiger CO-2-Emissionen durch Geschäftstätigkeiten" gewähre. Es stellten sich grundsätzliche Fragen, die auch für andere Klimaschutzklagen wichtig seien.
LG mit zahlreichen rechtlichen Bedenken
Nach einem ersten "frühen Termin" am Freitag vor dem LG wird man nun allerdings die These wagen können: Nichts wird es mit einem Sieg Davids. Das LG gab im Rahmen der rund halbstündigen Verhandlung nach Angaben des Gerichtsprechers diverse Hinweise, die doch stark darauf hindeuten, dass die Klage des engagierten Bio-Bauerns wohl keinen Erfolg haben wird. Verkündet wird die Entscheidung des LG am 9.September. Bis dahin wird die Klägerseite versuchen müssen, rechtliche Bedenken des Gerichts auszuräumen.
Und davon gibt es einige. Wie LG-Sprecher Dr. Wolfram Wormuth LTO gegenüber mitteilte, habe die Zivilkammer der Klägerseite diverse rechtliche Hinweise gegeben, die nicht zugunsten des Landwirtes sprechen. Etwa, dass dieser VW über zwei DIN-A4 Seiten minutiös habe vorschreiben wollen, welche Maßnahmen der Konzern zu ergreifen habe, um sich rechtmäßig zu verhalten. Das Gericht habe hier deutlich gemacht, dass dies allein Sache von VW wäre. Auch habe das Gericht moniert, dass der Bio-Bauer wohl nicht hinreichend dargelegt hätte, inwieweit er durch das Verhalten des Autobauers aktuell beeinträchtigt sei. Auch Fragen der Kausaltät würden sich stellen: Ist VW verantwortlich oder sind es auch die Konzerntöchter, wie z.B. Audi?
Die von der Umweltorgansation Greenpeace unterstützte Landwirt hatte sich in seiner Klage auch auf den vielen als bahnbrechend bewerteten Klimabeschluss des BVerfG bezogen und argumentiert: VW beeinträchtige ihn durch die klimabezogenen Folgen ihrer Geschäftstätigkeit in zentralen Rechtsgütern wie Eigentum, Gesundheit und dem Recht auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit. Dieses Recht, so bemerkte die Kammer allerdings jetzt, stelle aus ihrer Sicht kein "sonstiges Recht" im Sinne von § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar, in dem der Landwirt verletzt sein könnte. Im Übrigen sei es fraglich, ob VW zu einem Unterlassen aufgefordert werden könne, obwohl der Konzern sich rechtmäßig verhalte. Nicht das Gericht könne den Autobauer zu mehr Klimaschutz anhalten, sondern nur der Gesetzgeber.
VW: "Zivilgericht nicht der richtige Ort"
Von diesen Bedenken will sich indes die Klägerseite nicht einschüchtern lassen. Anwältin Roda Verheyen erklärte gegenüber LTO, die vielen Missverständisse des Gerichts in Kürze schriftlich auszuräumen. "Wir machen weiter", das Gericht befinde sich noch nicht auf der "richtigen rechtlichen Ebene", sagte sie. Die Anwältin äußerte aber auch ein stückweit Verständnis für das Gericht: Schließlich sei es die "erste Klage dieser Art" überhaupt. Der Kammer gegenüber habe sie jedoch verdeutlicht, dass ein Landgericht heutzutage aus dem Konflikt Klimawandel nicht mehr rauskomme.
VW reagierte in einer Stellungnahme nach der Verhandlung mit einem Verweis auf sein klimafreundliches Engagement: Volkswagen stehe zu seiner Verantwortung, die CO2-Emissionen in all seinen Tätigkeitsfeldern so schnell wie unternehmerisch möglich zu reduzieren. Als einer der ersten Automobilhersteller habe sich das Unternehmen 2018 zum Pariser Klimaabkommen bekannt und wolle spätestens 2050 bilanziell CO2-neutral sein. Volkswagen treibe eine der ambitioniertesten E-Offensiven der Automobilbranche voran und investiere bis 2026 insgesamt 52 Milliarden Euro in die Elektromobilität. Die Ziele für eine CO2-Reduzierung würden regelmäßig angepasst und erst kürzlich verschärft.
Weitere Klimaklagen gegen Autokonzerne anhängig
Im Übrigen, so VW ähnlich wie das LG Detmold, sei es Aufgabe des demokratisch gewählten Gesetzgebers, den Klimaschutz mit seinen weitreichenden Auswirkungen zu gestalten. "Die Ausgestaltung der erforderlichen Maßnahmen gehört nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung ins Parlament. Auseinandersetzungen vor Zivilgerichten durch Klagen gegen einzelne dafür herausgegriffene Unternehmen sind dagegen nicht der Ort und das Mittel, um dieser verantwortungsvollen Aufgabe gerecht zu werden. Diese Position werden wir verteidigen und haben die Abweisung der Klage beantragt."
Greenpeace verwies demgegenüber in einer Erklärung darauf, dass neben Allhoff-Cramers Klage in Detmold eine weitere Klage der Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser und Roland Hipp sowie von Klima-Aktivistin Clara Mayer vor dem LG Braunschweig gegen VW anhängig sei. "Auch sie fordern VW auf, den Verkauf von Verbrennern bis 2030 zu beenden." In Stuttgart und München beschäftigten sich zudem Gerichte mit Klimaklagen der Deutschen Umwelthilfe gegen die "CO2-Großemittenten" Mercedes und BMW.
Mit Material von dpa
Klimaklage gegen VW am LG Detmold verhandelt: . In: Legal Tribune Online, 20.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48511 (abgerufen am: 19.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag