Sechs Monate nach Vorstellung des ersten Eckpunktepapiers präsentiert der Gesundheitsminister keinen Gesetzentwurf, sondern nur weitere Eckpunkte zur Cannabis-Freigabe. Lauterbachs Schneckentempo ist peinlich und verdient keinen Applaus.
Das zweite Cannabis-Eckpunktepapier, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der grüne Agrarminister Cem Özdemir unmittelbar nach den Osterfeiertagen der Öffentlichkeit am Mittwoch vorgestellt haben, war inhaltlich längst keine Überraschung mehr. Schon vor Tagen zeichnete sich ab, wie die im Vergleich zum Eckpunktepapier vom Oktober 2022 eingedampfte Lösung aussehen sollte: Modellprojekte, so wie sie derzeit in den Niederlanden erprobt werden. Außerdem soll in einem ersten Schritt künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis und der Anbau von drei Pflanzen zum Eigenkonsum erlaubt werden. Zudem sollen sogenannte Cannabis Social Clubs möglich werden, also Vereine, die ihre Mitglieder mit Cannabisprodukten aus eigenem Anbau versorgen.
Damit nimmt die Ampel erst einmal Abstand von Lauterbachs ursprünglichem Plan, wonach der Staat künftig als Cannabis-Dealer auftreten sollte. Noch im Oktober hatte Lauterbach ein Modell in Aussicht gestellt, das nach seinen Worten beispielhaft für Europa sein sollte. Im Wege einer vom Staat regulierten Lieferkette sollte der Verkauf von Marihuana und Haschisch an Erwachsene sicher in staatlich lizensierten Fachgeschäften erfolgen.
Indes: Bei der Erstellung dieses Plans war der Ampel offenbar jegliche Kenntnis internationalen Rechts abhandengekommen. Denn von Anfang an war klar, dass das Völker- und vor allem das Europarecht gegen die Umsetzung eines solchen Vorhabens sprechen. Aus Lauterbachs Ankündigung, sich deswegen mit der EU-Kommission abzustimmen und diese ggf. von seinem Plan zu überzeugen, wurde nichts.
Viel Zeit verloren
Dass es nun bei der Cannabis-Legalisierung bzw. vor allem der -Entkriminalisierung überhaupt weitergeht, ist gut, auch wenn durch Lauterbachs Fehlkalkulation viel Zeit verloren gegangen ist. Längst hätte man ein Ende der unwürdigen Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten parlamentarisch auf den Weg bringen können. Nun kann man nur hoffen, dass die Ampel das Vorhaben in dieser Legislaturperiode noch irgendwie durchzieht. Schließlich wäre bei einer Regierungsbeteiligung der Union, für die derzeit alle Umfragen sprechen, das Vorhaben tot.
Dass die Ampel bei der Planung des Legalisierungsvorhabens seit Monaten ein fachlich so desolates Bild abgibt, hat einen Namen: Karl Lauterbach. Der SPD-Minister brachte es sogar fertig, in die ARD-Sendung "Hart aber Fair" als vermeintlicher Legalisierungsbefürworter eingeladen zu werden, um dort eigentlich nichts anderes zu tun, als Cannabis-Konsum zu verteufeln. Auch das vorgestrige Bild von der Einstiegsdroge Cannabis wurde dabei wieder von ihm bemüht. Dass Cannabis-Konsum einfach nur vielen Menschen eine verbesserte Lebensqualität bietet, ist Lauterbach völlig fremd.
Wenn der Gesundheitsminister vom Kiffen redet, denkt der Mediziner in erster Linie an Psychosen und andere gesundheitliche Gefahren, vor denen vor allem Jugendliche bewahrt werden müssen. Auch der Hinweis auf eine vorprogrammierte Drogen-Karriere durfte bei seinen Auftritten in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Derweil dürften sich Millionen Cannabis-Konsumenten in Deutschland wahrscheinlich wundern, warum sie nicht längst - zusammen mit dem benutzten Heroin-Spritzbesteck - in der Gosse liegen.
FDP und Grüne verhindern das Scheitern in Brüssel
Wäre es nach Lauterbach gegangen, hätte die EU-Kommission seinen ursprünglichen Eckpunkte-Plan als Gesetzentwurf zur juristischen Prüfung auf den Tisch bekommen und diesen dann sehr wahrscheinlich abgelehnt – aus europarechtlichen Gründen. Für diesen Fall hatte Lauterbach bereits im Oktober 2022 angekündigt, dass man dann den Rückzug antreten werde. Vermutlich hätte sich der einstige Legalisierungsgegner darüber gefreut, wenn es so gekommen wäre. Ist es aber nicht.
Das wiederum ist einzig allein den grün- und liberalgeführten Ressorts in der Bundesregierung zu verdanken. Özdemir, Habeck und Buschmann vermochten Lauterbach und SPD-Innenministerin Faeser davon abzubringen, das Vorhaben in Brüssel per Notifizierungsverfahren einzureichen und es damit sehr wahrscheinlich zu beerdigen. Dass - anders als bei der Vorstellung der ersten Eckpunkte im Oktober - am Mittwoch nun nicht Lauterbach allein, sondern auch Özdemir die korrigierten Ampel-Eckpunkte vorstellte, ist insofern konsequent.
Im Gegensatz zu Lauterbach verkauft Özdemir das Cannabis-Vorhaben authentisch und glaubhaft. Unvergessen ist Özdemirs Auftritt im Jahr 2014, als er öffentlich mit einer Hanfpflanze posierte und sich damit ein Ermittlungsverfahren einhandelte. Von Lauterbach sind allenfalls Bilder mit einem Glas Rotwein öffentlich geworden.
Die Cannabis-Community kann nach diesem Mittwoch nur hoffen, dass Lauterbach als federführender Minister bei der Ausarbeitung der angekündigten Gesetzentwürfe endlich in die Gänge kommt. SPD-Alt-Kanzler Gerhard Schröder drohte seinerzeit mit Arbeitsverweigerung, wenn man ihm keinen Alkohol bringe: "Hol mir mal ne Flasche Bier, sonst streik ich hier". Vielleicht gibt es ja auch einen Tropfen, der den Gesundheitsminister auf Trab bringt.
Neue Eckpunkte zur Cannabis-Legalisierung vorgelegt: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51524 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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