Der C.H.Beck-Verlag hat am Mittwoch endlich das Ende seiner Zusammenarbeit mit CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen verkündet: Ein angemessener Abschied vom umstrittenen Ex-Verfassungsschützer gelingt dem juristischen Fachverlag jedoch nicht.
Als sich im Sommer 2021 nach jahrelangem Drängen der C.H.Beck-Verlag dazu bereit erklärte, wichtige Standardwerke wie den "Palandt" oder den Grundgesetz (GG)-Kommentar "Maunz/Dürig" umzubenennen, weil sie die Namen ehemaliger NS-Juristen trugen, lautete die Reaktion vieler Juristinnen und Juristen: "Längst überfällig". Zuvor hatte der Verlag immer wieder entsprechende Forderungen abgebügelt. Es brauchte erst eine vom Verlag in Auftrag gegebene Studie, bei der das herauskam, was längst alle wussten: Die betreffenden Autoren waren zutiefst in das NS-Unrechtsregime verwickelt.
Auch im Falle der Trennung von CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen zögerte der Verlag lange. Viel zu lange. Als der Verlag am Mittwoch verkündete, dass Maaßen nicht weiter als Kommentator des GG-Kommentars "Epping/Hillgruber", für den er seit 2009 schriebt, mitwirken werde, fielen die Reaktionen ähnlich wie bei der "Trennung" von den Herren Schönfelder, Maunz und Palandt aus: "Warum nicht schon eher?"
Maaßen war, nachdem er 2018 vom Bundespräsidenten wegen seiner Äußerungen zu Hetzjagden auf Ausländer in Chemnitz als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz geschasst worden war, immer wieder mit extrem rechten politischen Äußerungen aufgefallen. Im Wikipedia-Eintrag zu seiner Person sind unter "Kontroversen" viele seiner Statements dokumentiert.
Vor ziemlich genau einem Jahr sorgte Maaßen bei jüdischen Verbänden für Empörung, als er ein verschwörungsideologisches Video des Pandemieleugners und Antisemiten Sucharit Bhakdi mit zustimmendem Kommentar teilte. Und zuletzt erregte ein Tweet vom 13. Januar für Aufsehen, in dem Maaßen behauptet, "die treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum" hätten als "Stoßrichtung" einen "eliminatorischen Rassismus gegen Weiße" und den "brennenden Wunsch, dass Deutschland verrecken möge". Treibende Kräfte in Politik und Medien wollten also "die Weißen" vernichten. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung attestierte Maaßen daraufhin eine Relativierung des Holocausts. Und die Jüdische Allgemeine bezeichnete Maaßens Worte als Griff "in den antisemitischen Giftschrank".
Beck-Verlag nahm lieber das Ausscheiden anderer Autoren in Kauf
Maaßens fortwährende Griffe in diverse Giftschränke nahm der Beck-Verlag über Jahre zur Kenntnis und zog daraus keine Konsequenzen. Den Medien gegenüber verwies man darauf, dass Maaßens Kommentierung – ausgerechnet zu den Asylartikeln des GG – "fachlich nicht zu beanstanden" sei. In einem internen Schreiben an andere Autoren rechtfertigte sich der Verlag zudem mit rechtlichen Schwierigkeiten, sich von Maaßen zu trennen. "Sein Verhalten mag für Sie und uns in den vergangenen Jahren unerträglich gewesen sein. Dass jedoch eine 'Gesinnungskündigung' des Verlags aufgrund außerhalb des jeweiligen Vertragsverhältnisses liegender, persönlicher Äußerungen und Verfehlungen eines Autors/einer Autorin nur in äußerst engen, rechtsstaatlichen Grenzen zulässig und wirksam wäre, müssen wir Ihnen als Kolleginnen und Kollegen sicher nicht weiter erläutern."
Mit seinem so begründeten Festhalten nahm es der Verlag lieber in Kauf, dass diverse Autoren ihre Mitarbeit aufkündigten. Bei manchen halfen auch die flehenden Worte von Beck-Lektoratsleitern nichts. Ihr Hinweis, sie könnten doch in ihren Texten auf Zitierungen von Maaßen "selbstverständlich" verzichten, fruchtete nicht: Und so schmiss man nicht Maaßen raus, sondern einigte sich z.B. mit dem Bochumer Staatsrechtler Prof. Stefan Huster auf einen Auflösungsvertrag. Dieser hatte in einem Gastbeitrag für die FAZ ausführlich erläutert, warum er als Kommentator des "Epping/Hillgruber" mit Maaßen als Co-Autor nicht mehr zur Verfügung stehen würde.
Maaßen kündigte Vertrag am 17. Januar
Was nun am Ende den Verlag dazu bewogen hat, die aus seiner Sicht bestehenden rechtlichen Schwierigkeiten zu überwinden und eine Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Rechtsaußen anzustreben, bleibt Spekulation. Waren es die jüngsten antisemitischen Äußerungen? Oder wurde vielleicht der Druck zu groß, nachdem auch die Süddeutsche Zeitung im Kontext mit dem Ausscheiden Husters zum Jahresbeginn nochmal unmissverständlich festgestellt hatte: Das Festhalten des "führenden juristischen Verlags der Republik" an dem Verschwörungsideologen sei kein Zufall, sondern passe zum Geist des Hauses.
Wie auch immer: Auch im Moment der Trennung von Maaßen gab der Verlag kein gutes Bild ab und reagierte alles andere als mit Haltung. Man habe sich entschlossen, "unsere Möglichkeiten zu nutzen, den Verlagsvertrag mit Herrn Dr. Maaßen zu beenden. Daraufhin hat Herr Dr. Maaßen am 17. Januar 2023 diesen selbst gekündigt." Kurzum: Selbst im Moment der Trennung wollte man dem "Herrn Dr." offenbar noch die Hand reichen und ihm einen ehrenvollen Abschied ermöglichen. Ob das wohl den Verlag was gekostet hat?
Verlag: "Herausgebern nicht schaden"
Man kann sich jedenfalls des Eindrucks nicht verwehren: Es klingt einfach alles danach, dass sich der Verlag nicht aus innerer Überzeugung von Maaßen lösen wollte, sondern weil er immer mehr Ansehensverslust befürchtete: Das belegt auch ein Satz aus der Erklärung des Verlags vom Mittwoch: "Das Ansehen unseres Unternehmens und sein Erfolg basieren auf dem breiten Konsens einer Mehrheit in unserer Gesellschaft, die wie wir fest auf dem Boden unserer Verfassung steht." Es hätten sich "unversöhnliche Positionen verselbstständigt", die "dem Grundgesetzkommentar, dessen Herausgebern und dem Verlag schaden".
Den Herausgebern schaden? Nun, Kommentar-Herausgeber Prof. Volker Epping und Prof. Christian Hillgruber dürften sich selbst wohl schon genug Schaden zugefügt haben: Indem sie in einer E-Mail an andere Autoren ihres Kommentars dem Maaßen-Kritiker Huster vorwarfen, "den Verlag und die Herausgeber unter ungebührlichen politischen Druck zu setzen und in Misskredit zu bringen". Maaßens Äußerungen seien schließlich "im Regelfall" von der individuellen Meinungsfreiheit gedeckt.
Beck-Verlag und Hans-Georg Maaßen beenden Zusammenarbeit: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50821 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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