Wieder einmal bekräftigen staatliche Stellen im Untersuchungsausschuss, im Fall Wirecard nichts falsch gemacht zu haben. Das sieht die Opposition völlig anders.
Bei der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals haben das Finanzministerium und die Anti-Geldwäsche-Einheit des Bundes (FIU) neue Vorwürfe über Versäumnisse entschieden zurückgewiesen. Dabei geht es darum, warum 2019 Verdachtsmeldungen auf Geldwäsche nicht von der FIU an Strafermittler weitergegeben wurden und ob das Ministerium das Parlament nicht ausreichend informiert hat.
Finanz-Staatssekretär Rolf Bösinger sagte am Dienstag als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Bundestags, Vorwürfe, er habe Informationen manipuliert oder Dinge vorenthalten, entbehrten jeder Grundlage: "Ich weise die Vorwürfe zurück, sie sind blanker Unsinn." Weder habe er manipuliert, noch das Parlament getäuscht, noch Informationen frisiert, sagte Bösinger. Es gebe nichts zu verbergen.
Zuvor hatte FIU-Chef Christof Schulte im Ausschuss gesagt, er bleibe bei seiner Aussage vom Januar. Damals hatte er gesagt, dass die FIU ihrem gesetzlichen Auftrag vollumfänglich nachgekommen sei.
Hinweise "auf dem Silbertablett"
Der Bayerische Rundfunk hatte vor kurzem berichtet, die Commerzbank habe die FIU im Februar 2019 detaillierter über mögliche Unregelmäßigkeiten bei Wirecard informiert als bisher bekannt und eine Verdachtsmeldung "auf dem Silbertablett" serviert. Die FIU habe diese aber bis nach der Wirecard-Insolvenz liegen lassen und nicht an deutsche Strafermittlungsbehörden weitergegeben.
Schulte wies die Darstellung zurück. Strafrechtliche Verfolgungsmöglichkeiten in Deutschland hätten damals erkennbar nicht vorgelegen. Er betonte, man ziehe aus dem Fall Wirecard Lehren, um für "solche Konstellationen" gewappnet zu sein.
Dagegen sagte die Münchner Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl am späten Dienstagabend als Zeugin im Ausschuss, die "große Geldwäsche-Verdachtsmeldung" der Commerzbank sei die "Mastercard". Es sei die wertvollste und umfangreichste Geldwäsche-Verdachtsmeldung und elementar. Sie wolle nun aber nicht auf die FIU zeigen und sagen, diese habe etwas verbummelt. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall Wirecard.
Der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister hatte im Sommer 2020 eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro aus der Bilanz nicht aufzufinden waren. Die Ermittler gehen davon aus, dass der ehemalige Dax-Konzern Wirecard über Jahre seine Abschlüsse fälschte.
Konkrete Hinweise ohne unmittelbare Folgen?
Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar hatte der FIU vorgeworfen, von der Commerzbank 2019 einen «perfekten Hinweis» auf Geldwäsche erhalten und nichts weiter veranlasst zu haben. Linke-Obmann Fabio De Masi hatte gesagt, der Milliardenbetrug bei Wirecard hätte bereits 2019 aufgedeckt und Kleinanleger besser geschützt werden können.
Toncar sagte nach der Aussage Schultes: "Ich bleibe dabei: die Meldung der Commerzbank im Februar 2019 war so konkret, dass sie der Staatsanwaltschaft unmittelbar hätte vorgelegt werden müssen. Damit wäre es möglich gewesen, den Betrug umgehend zu stoppen."
Außerdem hatte Toncar kritisiert, dass wichtige Informationen zur Rolle der FIU nur versteckt an den Untersuchungsausschuss weitergegeben worden seien. Es sei der Eindruck erweckt worden, dass der Geldwäsche-Einheit vor der Wirecard-Pleite keine bedeutsamen Verdachtsmomente vorlagen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) müsse bei der FIU und im Ministerium Konsequenzen ziehen. So müsse Bösinger entlassen werden.
"Viel Vertrauen verloren"
Bösinger wies die Vorwürfe zurück, er habe das Parlament getäuscht. Im Zusammenhang mit Wirecard sei viel Vertrauen verloren gegangen, viele Anleger seien um viel Geld gebracht worden. Daher sei die Arbeit des Untersuchungsausschusses so wichtig. Das Finanzministerium habe diese Arbeit deswegen intensiv unterstützt.
Dem Ministerium lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die FIU ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachgekommen wäre, sagte Bösinger weiter. Das Finanzministerium habe die Rechtsaufsicht über die FIU, nicht die Fachaufsicht. Die Einheit arbeite operativ unabhängig. Bösinger betonte außerdem, die Einheit sei durch zusätzliches Personal und erweitere Kompetenzen massiv gestärkt worden.
Opposition: "Kollektives Aufsichtsversagen"
SPD-Obmann Jens Zimmermann sagte, die Commerzbank-Meldungen hätten zum damaligen Zeitpunkt "keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt an die deutsche Jurisdiktion" enthalten. Das Finanzministerium habe dem Parlament alle aktuellen Informationen zur Verfügung gestellt.
Die Opposition sieht beim Wirecard-Skandal ein "kollektives Aufsichtsversagen", wie es in einem Sondervotum von FDP, Grünen und Linken zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses heißt. Scholz trage als Finanzminister die politische Verantwortung für das Versagen der Finanzaufsicht Bafin. Das Finanzministerium hat die Aufsicht über die Bafin.
dpa/tap/ LTO-Redaktion
U-Ausschuss zum Wirecard-Skandal: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45158 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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