Niederlage für VW im Dieselskandal: Unab­hän­giger Son­der­prüfer darf erst mal ermit­teln

von Dr. Anja Hall

29.12.2017

2/2: VW: Sonderprüfung führt zu hohen Prozessrisiken

VW hatte argumentiert, dass eine Sonderprüfung Prozessrisiken in außerordentlicher Höhe auslöse, weil Kläger auf Informationen aus einem möglichen späteren Prüfungsbericht spekulierten und deshalb – solange die Sonderprüfung andauert – nur zu Vergleichen bereit seien, die nicht vorteilhaft für VW wären. Auch könnten weitere Anleger Klage erheben.

Zudem würden Dokumente, die dem angelsächsischen "Legal privilege" unterfallen und dem Sonderprüfer zur Verfügung gestellt werden müssen, diesen Schutz "potenziell" verlieren. Sie müssten somit im Rahmen des amerikanischen Beweisverfahrens offengelegt werden. Auch dadurch drohen VW nach eigener Einschätzung Risiken und Verschlechterungen in laufenden, nicht nur auf die Dieselthematik bezogenen Klageverfahren in Milliardenhöhe.

Darüber hinaus würde die Sonderprüfung erhebliche Kosten und andere Belastungen verursachen, etwa weil sie personelle Ressourcen bindet. Auch bestehe die Gefahr, dass der Sonderprüfer bei der Auswertung interner Daten von Mitarbeitern, etwa E-Mails, private und intime Inhalte einsehen könnte.

BVerfG: Vermutungen, allgemeines Lebensrisiko, nicht eilig

Das BVerfG sieht in diesen Argumenten aber keinen hinreichend schweren Nachteil für den Fall, dass eine einstweilige Anordnung nicht erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte. Ein solcher wäre aber Voraussetzung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung.

Es sei eine reine Vermutung, dass die Sonderprüfung zu weiteren Klagen führe, zumal der Autokonzern die finanziellen und sonstigen Auswirkungen entsprechender Klageerhebungen nicht konkret dargelegt habe. "Abgesehen davon handelt es sich bei dem Risiko, mit unberechtigten Klagen konfrontiert zu werden, um ein hinzunehmendes allgemeines Lebensrisiko", schreiben die Richter in dem Beschluss. VW habe auch nicht überzeugend erläutert, warum die befürchteten Kosten eine "erhebliche Beeinträchtigung" für den Konzern darstellten.

Die Richter verwiesen darauf, dass sich auch Vorteile durch die Sonderprüfung ergeben können, etwa in Form von Schadensersatzansprüchen gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat oder Versicherungen. Dies würde - falls Pflichtverletzungen nachgewiesen würden – die Nachteile kompensieren. Zudem könnten dem Sonderprüfer die bisherigen internen Prüfergebnisse zur Verfügung gestellt werden, was die Kosten und Belastungen reduzieren würde.

Selbst wenn VW schwere Nachteile entstünden, sei eine sofortige Entscheidung nicht erforderlich. Erst wenn der Bericht des Sonderprüfers vorliege – was Monate oder Jahre dauern könne -, sei klar, ob sich tatsächlich Nachteile für VW ergeben, so die Verfassungsrichter. Dann könnte VW die Veröffentlichung des Prüfungsberichts durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung immer noch verhindern.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Niederlage für VW im Dieselskandal: . In: Legal Tribune Online, 29.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26231 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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