Ein guter Zeitpunkt zum Investieren
Die Aussichten betrachtet Engelhardt positiv. "Da die Lira kräftig abgewertet wurde, sehen wir gerade einen guten Zeitpunkt zum Investieren. Denn die Rahmendaten sind sehr gut." Der Vorteil der Türkei sei die zentralistische Struktur, meint der Rechtsanwalt. "Istanbul ist das wirtschaftliche Herz. Hier trifft man die wichtigen Anwälte und General Counsel der großen Firmen." Hinzu komme die geographische und kulturelle Brückenfunktion der Türkei.
Die persönliche Vertrauensbeziehung sei in der Türkei sehr wichtig. Es dauere lange, diese Beziehung aufzubauen, sagt Engelhardt. "Mit türkischen Partnern muss man einen langen Atem haben. Aber dann ist diese Beziehung auch sehr stark." Man müsse viel Zeit investieren, regelmäßig vor Ort sein, um dieses Vertrauen herzustellen. Eine viel größere Bedeutung haben zudem mündliche Vereinbarungen. Manche Beziehungen seien nachhaltig beeinträchtigt worden, weil auf eine Verschriftlichung beharrt wurde. "Unseren Mandanten bereitet das verständlicherweise zuweilen ein gewisses Unbehagen", sagt Engelhardt.
Die Justiz hat sich ihre Unabhängigkeit bewahrt
Für ausländische Kanzleien ist es nicht leicht, in der Türkei Fuß zu fassen. Zum türkischen Recht dürfen nur türkische Kanzleien beraten. Die Lösung sind mehr oder weniger enge Kooperationen. "Meine Kanzlei hat den traditionellen Weg gewählt, ein Beratungsunternehmen zu gründen und deren Räumlichkeiten einer türkischen Kanzlei zur Verfügung zu stellen", sagt Prof. Dr. Christian Rumpf, Inhaber der Kanzlei RRLex Rumpf Rechtsanwälte. "Im Kern ist die Absprache, dass von uns in Deutschland akquirierte Mandate von der türkischen Kanzlei in enger Absprache mit uns bearbeitet werden."
Seine Kanzlei hat sich auf die heiklen Fälle spezialisiert: Schadensersatzprozesse, Fälle im türkischen Arbeitsrecht. Aber auch Firmengründungen vor Ort oder Unternehmenskäufe und Verkäufe gehören dazu. Rumpf hat schon in seiner Jugend viele Jahre in der Türkei verbracht. Da lag es nahe, sich später auf das türkische Recht zu spezialisieren. Seit 1989 betreut er Mandanten bei Fragen zum türkischen Recht. Dabei hat er immer wieder auch Änderungen der politischen Rahmenbedingungen erlebt.
"Grundsätzlich kann man sagen, dass die Verlässlichkeit der Justiz in den vergangenen Jahren zugenommen hat", sagt er. Auch die Einflussnahme durch den früheren Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, etwa durch die Umbesetzung großer Teile der Justiz, habe daran nichts geändert. "Die Richter haben sich ihre Unabhängigkeit bewahrt. Urteile sind in sich konsequent."
Modernes Rechtswesen mit europäischen Zügen
Defizite hingegen könne man bei der Verfahrensdauer sehen. Aber auch eine weitere Praxis kritisiert Rumpf: "Als schlimm kann man aus deutscher Sicht auch die durch den Kassationshof überwiegend abgesegnete Praxis bezeichnen, sich die Entscheidung durch Gutachten vorbereiten zu lassen." Dies habe einen unnötigen Zeitverlust und unnötige Kosten für Dinge zur Folge, die in Deutschland das Gericht aus eigener Sach- und Rechtskenntnis beurteile und entscheide.
Seit der Republikgründung hat die Türkei die Nähe zu Europa gesucht. Dies wird auch in der Gesetzgebung deutlich. Viele europäische, aber auch deutsche Normen wurden in türkisches Recht übernommen. Gleichzeitig gibt es viele Einflüsse durch den arabischen Raum. Die Krisen dort überschatten allerdings derzeit die wirtschaftlichen Erfolge der Türkei in den vergangenen Jahren. Viele Unternehmen setzen darauf, dass sich eines Tages die Lage wieder entspannen wird. Und mit ihnen natürlich auch Kanzleien aus Deutschland, die sie bei ihren Aktivitäten beraten wollen.
Henning Zander, Rechtsmarkt Türkei: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16823 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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