Türkischer Nationalspieler verwendet rechtsextreme Geste: Muss der "Wolfs­gruß" ver­boten werden?

03.07.2024

Kontroverser Matchwinner: Nach dem Achtelfinale gegen Österreich zeigte ein türkischer Spieler den "Wolfsgruß". Das ist problematisch, nach deutschem Recht aber straflos – und löst genau deshalb eine Debatte aus.

Mit seinen zwei Toren im EM-Achtelfinale gegen Österreich brachte Merih Demiral die Türkei ins Viertelfinale. Die dadurch ausgelöste Ekstase wurde jäh gebremst, als er nach dem Spiel den "Wolfsgruß" zeigte. Bei der Handgeste handelt es sich um das Erkennungszeichen der türkisch-rechtsextremistischen Ülkücü-Bewegung. Zeigefinger und kleiner Finger formen dabei die Ohren, Daumen und Mittel- und Ringfinger eine Art Schnauze. Die Geste geht zurück auf einen türkischen Mythos, drückt in der Regel aber die Zugehörigkeit und das Sympathisieren mit der Bewegung und ihrer Ideologie aus.

Das war geschehen: Nach einer soliden Gruppenphase gelang im Spiel gegen die wohl favorisierten Österreicher gleich in der ersten Spielminute der Führungstreffer, als Demiral den Ball nach einer Ecke über die Linie drückte. In der zweiten Halbzeit legte Demiral abermals nach einer Ecke nach, den Österreichern gelang nur noch der Anschlusstreffer und die Türkei zog letztlich ins Viertelfinale gegen die Niederlande ein. Im Rahmen der Jubelszenen fiel Demiral dann durch das Zeigen des "Wolfgrußes" auf.

Damit bekennt sich der Siegtorschütze auf großer Bühne zur Ülkücü-Bewegung, die auch als "Graue Wölfe" bekannt ist. "Graue Wölfe" wurden in den 60er-Jahren militante Jugendgruppen und Paramilitärs genannt. Ihnen werden zahlreiche politische Morde an unter anderem Kurden, Aleviten sowie Sozialisten und Gewerkschaftern in der Türkei zwischen den 60er- und 90er-Jahren angelastet.

Zu der "Ülkücü"-Bewegung zählt auch die sogenannte Große Einheitspartei BBP und die ultranationalistische Partei MHP. Sie ist Regierungspartner von Präsident Recep Tayyip Erdogan und seiner AKP, der unter Deutschtürken sehr hohes Ansehen genießt.

"Graue Wölfe" in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet

Die Ableger der "Grauen Wölfe" in Deutschland werden vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet. Dieses stuft die Gruppierung als eine "erhebliche Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung" ein. Der Ideologie der "Ülkücü"-Bewegung werden im Verfassungsschutzbericht 2023 ein "übersteigerter Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" wie Rassismus und Antisemitismus attestiert. Mit mehr als 12.000 Anhängern ist sie eine der größten rechtsextremen Gruppen in Deutschland.

Ein großer Teil davon sei in Vereinen organisiert, die wiederum unter dem Dach größerer Verbände in Deutschland zusammengeschlossen sind. Als mitgliederstärkster Verband gilt die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF) mit rund 7.000 Mitgliedern in über 200 Ortsvereinen. Auch die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V (ATIB) und die Föderation der Weltordnung in Europa (ANF) sind mit je rund 2.500 und 1.000 Mitgliedern vertreten.

Anders als zum Beispiel in Österreich gibt es allerdings (noch) kein Verbot der "Grauen Wölfe" in Deutschland, sodass laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages auch eine Strafbarkeit nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) für den "Wolfsgruß" aktuell ausscheidet.

In der EM-Spezial-Ausgabe des LTO-Podcasts "Die Rechtslage" geht es diesmal um spannende Fussball-Rechtsfragen :

"Skandal!": Reaktionen aus der Politik

In der Bundespolitik zeigt man sich empört über die Geste. "Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen", teilte Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf X mit. Es sei inakzeptabel, die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen. Auch für Bundesagrarminister Cem Özdemir, der deutsch-türkische Wurzeln hat, ist die Botschaft "rechtsextrem, steht für Terror, Faschismus."

"Es ist skandalös, dass die Bundesregierung ein Verbot der islamistisch-türkischen Organisation und ihrer faschistischen Symbolik seit Jahren verschleppt", erklärte Sevim Dağdelen, außenpolitische Sprecherin vom Bündnis Sahra Wagenknecht, und forderte ein Verbot der rechtsextremen Gruppe. 

Das wünscht sich auch die Kurdische Gemeinde in Deutschland. "Fans übernehmen solche Zeichen, unter türkischen Jugendlichen auch in Deutschland gilt es als cool, rechtsextrem zu sein", erklärte der Bundesvorsitzende Ali Toprak. "Man stelle sich vor, ein österreichischer Spieler hätte nach einem Torschuss einen Hitlergruß gezeigt."

Auch Clara Bünger, rechtspolitische Sprecherin der Gruppe die Linke im Bundestag, fordert ein Verbot der "Grauen Wölfe" in Deutschland: "Dass Merih Demiral als türkischer Nationalspieler mit Vorbildfunktion am Jahrestag des Sivas-Massakers, an dem 35 Menschen zumeist alevitischen Glaubens im Jahre 1993 bei einem islamistisch-nationalistischen Pogrom ums Leben kamen, vor einem Millionenpublikum so unverhohlen den Wolfsgruß zeigt, ist ein absoluter Skandal!"

Wird die UEFA Demiral bestrafen?

Demiral betonte laut einem kicker-Bericht nach dem Spiel, hinter der Geste verberge sich "keine versteckte Botschaft". Laut dem Bericht äußerte Demiral weiter: "Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein, und das ist der Sinn dieser Geste. Ich wollte einfach nur demonstrieren, wie sehr ich mich freue und wie stolz ich bin. Es wird hoffentlich noch mehr Gelegenheiten geben, die Geste zu zeigen."

Die UEFA hat ein Untersuchungsverfahren gegen den türkischen Nationalspieler nach dessen Torjubel mit dem sogenannten Wolfsgruß eingeleitet. Es gehe dabei um ein mögliches unangemessenes Verhalten des 26-Jährigen, teilte die UEFA am Mittwochvormittag mit. Sollte Demiral bestraft werden, könnten ihm Folgen für das anstehende Viertelfinale gegen die Niederlande drohen.

jb/LTO-Redaktion

mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Türkischer Nationalspieler verwendet rechtsextreme Geste: Muss der "Wolfsgruß" verboten werden? . In: Legal Tribune Online, 03.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54922/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

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