2/2: Digitale Rechtsübertragung denkbar
Hieraus ergeben sich viele, bislang kaum denkbare Einsatzmöglichkeiten: Man könnte ein Auto verkaufen und Eigentum daran übertragen, ohne dass eine Übergabe des Autos, Fahrzeugscheins oder Schlüssels erforderlich wären. Die Rechtsübertragung würde komplett digital ablaufen.
Auch die digitale Vermietung eines Hauses wäre denkbar: Alle Schlösser an dem Haus sind mit dem Internet verbunden. Wenn die Zahlung der Miete erfolgt, werden automatisch die Türen für das Haus entriegelt. Als Schlüssel dient eine App auf dem Smartphone. Diese Beispiele zeigen, dass Vermittlungsdienste wie Makler oder Airbnb überflüssig werden könnten.
Smart Contracts generieren kein eigenes Recht…
Werden durch Smart Contracts auch Anwälte und oder gar das Rechtsystem überflüssig, da Menschen für die Vertragsabwicklung nicht mehr erforderlich sind? Davon ist derzeit nicht auszugehen. Smart Contracts sind Teil des Rechtssystem und stehen nicht etwa über oder neben ihm. Die Übertragung von Rechten richtet sich daher ausschließlich nach dem geschriebenen Recht. Eine Übertragung von Smart Property an einem Grundstück führt ohne Beachtung der Formvorschriften beispielsweise nicht zu einer Übertragung von Eigentum.
Smart Contracts sind daher aus rechtlicher Sicht derzeit nichts anderes als Programme, die eine automatische Vertragsausführung ermöglichen. Sie generieren kein eigenes Recht. Die Nutzung dieser Technologien kann aber eine faktische Wirkung entfalten und dadurch zu einer sukzessiven Anerkennung durch Gesetzgeber führen. In Vermont gibt es beispielsweise konkrete Bestrebungen, Smart Contracts auf Grundlage des Blockchain-Prinzips in das Rechtssystem einzubetten.
…könnten aber das Gerichtssystem ablösen
Smart Contracts werden in jedem Fall einen erheblichen faktischen Einfluss darauf haben, wie das Rechtssystem und Juristen arbeiten. Und sie werden eine neue Form der Streitschlichtung hervorrufen. Experten gehen davon aus, dass das traditionelle Gerichtssystem von digitalen Formen der Konfliktlösung mehr und mehr abgelöst werden wird. Smart Contracts brauchen keine Gerichte oder Anwälte, um im Streitfall den Vertragsinhalt durchzusetzen. Die Möglichkeit der automatischen Rechtsdurchsetzung dürfte die Rechtsdurchsetzung insgesamt erschwinglicher machen. Es bleibt abzuwarten, ob derartige Möglichkeiten vom deutschen Gesetzgeber anerkannt und gefördert werden.
Vom Rechtsanwender zum Rechtsprogrammierer
Durch Smart Contracts werden neue Arbeitsfelder für Juristen entstehen. Anwälte werden beispielsweise digitale Vertragsformulare erstellen, die von Anwendern für verschiedenste Zwecke genutzt werden. Juristen werden somit vom Rechtsanwender zum Rechtsprogrammierer. Da Smart Contracts aus weltweit einheitlichem Code bestehen, verschwinden Sprachbarrieren und Jurisdiktionsgrenzen. Der Wettbewerb um die besten Smart Contracts wird international ausgetragen werden. In einem transparenten Markt werden sich die besten Smart Contracts, ähnlich wie beispielsweise Smartphone-Apps, durchsetzen. Durch die Verschmelzung von Code und Vertrag erhalten aber auch Rechtsgebiete wie das Datenschutzrecht und Cybersecurity immer wichtigere Rollen.
Die Entwicklung und Vermarktung von Smart Contracts steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Es wird spannend zu beobachten sein, wohin die Reise geht. Vieles wird letztendlich von der Akzeptanz der Nutzer abhängen: Smart Contracts werden erst dann wirklich erfolgreich sein, wenn die Handhabung so einfach wird wie mit klassischen Verträgen. Einige Unternehmen, wie beispielsweise BitHalo, Ethereum, Hedgy, MoneyCircles, SmartContract und Stampery, haben sich bereits frühzeitig in diesem Markt positioniert. Sie bieten Smart Contracts mit relativer einfacher, intuitiver Handhabung an. Auch Microsoft ist über seine Plattform Azure und einer Partnerschaft mit Consensys in das Smart Contracts-Geschäft eingestiegen. Andere Firmen stehen in den Startlöchern. Es ist zu erwarten, dass sich der Smart Contracts-Markt aufgrund des enormen Marktpotentials und der Alltagsrelevanz rasant entwickeln wird. Ein guter Grund, sich bereits jetzt mit Smart Contracts näher zu beschäftigen.
Der Autor Dr. Micha-Manuel Bues, MJur. (Oxford), Anwalt und Legal Tech Experte, betreibt den Blog www.legal-tech-blog.de
Smart Contracts - Smart Lawyers: . In: Legal Tribune Online, 01.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17714 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag