Außenwirtschaftsrecht: Trumps Veto gegen den Qual­comm-Deal

Gastkommentar von Dr. Marius Boewe und Dr. Christian Johnen

20.03.2018

US-Präsident Trump untersagte den teuersten Deal der Tech-Branche, die Übernahme von Qualcomm durch Broadcom. Ob sich auch hierzulande die außenwirtschaftliche Untersagungspraxis ändern wird, fragen sich Marius Boewe und Christian Johnen.

Vor wenigen Tagen hat US-Präsident Donald Trump die milliardenschwere Übernahme des amerikanischen Chipherstellers Qualcomm durch die in Singapur ansässige Broadcom untersagt. Mit seiner Entscheidung folgte Trump einer Empfehlung des Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS), das Investitionen aus Drittländern in den USA prüft.

Offiziell begründete der Präsident sein Veto damit, dass die nationale Sicherheit gefährdet sei. Allerdings spielen offenbar auch andere Erwägungen eine Rolle, etwa die möglicherweise geringere Investitionsbereitschaft des Käufers. 

In Deutschland würde der rechtliche Rahmen aufgrund der mit Wirkung zum 18. Juli 2017 geänderten Außenwirtschaftsverordnung (AWV) eine Untersagung, die auf solchen Erwägungen beruht, wohl ebenfalls decken. Vor dem Hintergrund der bisherigen Verwaltungspraxis des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) scheint dies derzeit jedoch noch wenig wahrscheinlich.

Gefährdung der nationalen Sicherheit nicht zwingend

CFIUS hat seine Untersagungsempfehlung offenbar auf eine vielschichtige Begründung gestützt, die sich auch mit dem Geschäftsmodell von Qualcomm und den aktuellen technologischen Entwicklungen auseinandersetzte.

Qualcomm hat auf dem Gebiet der Netzwerktechnologie eine zentrale Stellung in den USA. Daneben hat das Unternehmen eine Vorreiterstellung im Wettstreit um die Marktführerschaft bei der Entwicklung von mobilen 5G-Netzwerken und ist elementar für den künftigen Aufbau dieser Netzwerke innerhalb der USA. Bei der Entwicklung der 5G-Technologie steht Qualcomm in direktem Wettbewerb zu chinesischen Konzernen wie Huawei oder ZTE. Des Weiteren ist Qualcomm bezüglich bestimmter Technologien Vertragspartner des US-Verteidigungsministeriums. 

Führt man sich vor Augen, dass Broadcom in Singapur ansässig ist, ist eine Gefährdung für die nationale Sicherheit durch die Übernahme von Qualcomm nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar. Denn Singapur ist wenn auch kein offizieller Bündnispartner so doch ein sehr enger Verbündeter der USA. Hinzu kommt, dass Broadcom bereits angekündigt hatte, seinen Unternehmenssitz in die USA zu verlegen. Dies hätte das Risiko eines Technologieabflusses in Drittländer weiter verringert.

Soll die Wettbewerbsfähigkeit der USA geschützt werden? 

Die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten seien, so CFIUS, bereits deshalb tangiert, weil das US-Verteidigungsministerium in bestimmten Schlüsseltechnologien von Qualcomm abhängig sei. Schließlich sei auch eine unerwünschte Weitergabe dieser Technologien an Drittstaaten nicht gänzlich auszuschließen, da Broadcom verschiedene Tochtergesellschaften in China habe. Solche Erwägungen sind natürlich nicht neu, sie sind "klassische Argumente" im Rahmen von Außenwirtschaftskontrollprüfungen.

CFIUS ist im vorliegenden Fall scheinbar jedoch einen Schritt weiter gegangen. Es hat nämlich die Sorge geäußert, dass Broadcom das Geschäftsmodell von Qualcomm ändern werde. In diesem Zusammenhang bestünden aufgrund der erheblichen Fremdkapitalquote zur Finanzierung des Qualcomm-Kaufpreises Anzeichen dafür, dass der Ausbau der Schlüsseltechnologie 5G zu Lasten kurzfristiger Gewinnmitnahmen vernachlässigt würde. Eine Verlangsamung der Entwicklung böte den chinesischen Konkurrenten Huawei und ZTE den Raum, das Rennen für sich zu entscheiden. Im Ergebnis schützt die Untersagung somit nicht nur die Sicherheitsinteressen der USA. Sie schützt auch - und vielleicht sogar primär - die Wettbewerbsfähigkeit des Technologiestandorts der USA gegenüber China.

Weiteres Kriterium: Nachhaltige Entwicklungsinvestitionen 

Diese Überlegungen des CFIUS sind bemerkenswert. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die möglicherweise nicht ausreichende Investitionsbereitschaft des Käufers offenbar daraus abgeleitet wird, dass dieser erhebliche Fremdmittel zur Kaufpreisfinanzierung angeworben hat. CFIUS unterstellt Broadcom, dass es nicht daran interessiert sei, die Entwicklung von Qualcomm langfristig zu fördern. Die Geschäftstätigkeit werde vielmehr auf kurzfristige Gewinnmitnahmen zur Bedienung der Fremdmittel ausgerichtet.

Solche Überlegungen könnten durch die historischen Entwicklungsetats von Broadcom gestützt werden: Sie lagen mit 17 Prozent des Umsatzes deutlich unter dem Branchenschnitt von 25 Prozent. Eine derartige Reduzierung des Entwicklungsetats bei Qualcomm könnte die Konkurrenzfähigkeit im Entwicklungsrennen mit den chinesischen Wettbewerbern beeinträchtigen. 

Konsequent zu Ende gedacht, wären diese Erwägungen auf jeden Erwerb nationaler Schlüsseltechnologien grundsätzlich übertragbar, sofern die Entwicklung der Technologie als Folge des Erwerbs beeinträchtigt werden könnte. Mit vergleichbaren Argumenten könnte man Investoren, die primär an kurzfristigen Gewinnmitnahmen interessiert sind – also etwa Private-Equity-Investoren, die Beteiligung an einem ausländischen Unternehmen untersagen.

Untersagungsverfügung wäre auch in Deutschland möglich – theoretisch

In Deutschland findet sich der Anknüpfungspunkt für eine entsprechende Untersagung in § 55 Abs. 1 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV): Eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit. liegt vor, wenn durch die Transaktion ein elementares Grundinteresse der Bundesrepublik in Frage gestellt wird.

Auch im Rahmen der deutschen Investitionskontrolle könnte das BMWi in ähnlich gelagerten Fällen theoretisch eine Untersagungsverfügung erlassen. Entsprechend der Argumentation des CFIUS scheint es auch in Deutschland denkbar, dass das Wirtschaftsministerium eine im Rahmen der Kaufpreisfinanzierung hohe Fremdkapitalquote oder das Vorhandensein von Private-Equity-Investoren als Indizien für die mangelnde Investitionsbereitschaft eines Erwerbers heranzieht. 

Dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei, ließe sich begründen, wenn hinreichende Investitionen zur Weiterentwicklung von Schlüsseltechnologien ausbleiben und damit der Fortschritt oder die Weiterentwicklung dieser Technologie derart verlangsamt wird, dass die freie Entwicklungsfähigkeit des betreffenden deutschen Unternehmens gefährdet ist oder in Folge der Übernahme massiv eingeschränkt wird.

Weitere Voraussetzung ist hierbei naturgemäß, dass es nationale Interessen tangiert, wenn die Entwicklungsetats potenziell beschnitten werden. Das wäre im Einzelfall darzulegen. Gestützt würde ein solcher Befund durch ein mögliches weites Verständnis des Begriffs der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der neben den in § 55 Abs. 1 AWV genannten Regelbeispielen ausdrücklich weitere Anwendungsbereiche hat. 

Untersagungspraxis derzeit zurückhaltend

Zwar scheint somit die Erwerbsuntersagung nationaler Spitzentechnologie aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auf Grundlage der AWV auch vor dem Hintergrund, dass möglicherweise Entwicklungsinvestitionen zurückgehen, theoretisch möglich. Allerdings werden nach derzeitiger Praxis des BMWi und im Einklang mit europäischen Vorgaben hohe Hürden für eine Untersagungsverfügung gesetzt, da man nach wie vor ein offenes Investitionsumfeld anstrebt. 

Dementsprechend dürfte eine Analyse der Fremdkapitalquote und eine detaillierte Prüfung (und Nachprüfung) von Entwicklungstätigkeiten über die bisherige Übung der Darstellung und Prüfung der vorgesehenen Geschäftsstrategie hinausgehen, wie sie bislang im Rahmen von Investitionskontrollanmeldungen darzulegen ist.

Wegen der Reziprozität, die im Rahmen außenwirtschaftlicher Kontrollverfahren angestrebt wird, und weil die Entwicklung der Untersagungspraxis in anderen Ländern nicht absehbar ist, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Überlegungen des CFIUS künftig auch in Deutschland Einfluss haben werden. Dies scheint insbesondere dann denkbar, wenn Untersagungen in anderen Jurisdiktionen zum Nachteil der deutschen/europäischen Wirtschaft führen und im Gegenzug das Bestreben besteht, es diesen anderen Nationen wechselseitig gleichzutun. 

Hält man ausreichende Investitionen für erforderlich, um Schlüsseltechnologien sachgemäß zu schützen, und sieht man eine Aufgabe des Staates darin, derartige Technologie-Investitionen zu schützen, dann sollten staatliche Untersagungsmöglichkeiten nicht allein auf außenwirtschaftliche Sachverhalte beschränkt sein.

Dr. Marius Boewe ist Counsel und Dr. Christian Johnen ist Senior Associate bei Herbert Smith Freehills Germany.

Zitiervorschlag

Außenwirtschaftsrecht: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27621 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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