Vollständig remote arbeiten, BahnCards bezahlen, Jobfahrräder fördern – Möglichkeiten für Kanzleien, den Klima- und Umweltschutz zu fördern, gibt es einige. Aber wer macht es wirklich? Das zeigt ein Stimmungsbild von LTO.
In der Kanzleiküche lockt der Korb mit kostenlosem Bio-Obst, gleichzeitig geht es mit dem Flieger von Frankfurt nach Berlin. Ein solches Bild haben vermutlich viele angehende Jurist:innen vor Augen, wenn sie sich Gedanken über die Klima- und Umweltfreundlichkeit ihrer potenziellen Arbeitgebenden machen: Den Kanzleien.
Dass die Klimafreundlichkeit ihres potenziellen Jobs bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgebenden überhaupt eine Rolle, ist bei der heutigen Generation der Nachwuchsjurist:innen ziemlich realistisch. So überprüft die amerikanische Studierendenvereinigung "Law Students for Climate Accountability" der Yale-Universität seit 2020 jährlich Kanzleien auf dem US-Markt in Bezug auf Ihre Klimafreundlichkeit. Sie untersucht unter anderem, ob die jeweiligen Mandate die Klimakrise beschleunigt oder verlangsamt haben. Ein Motiv dafür: Eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe für Berufseinsteiger:innen zu entwickeln, die auf der Suche nach einem geeigneten Arbeitgebenden sind.
Wie sieht es also aus in Deutschlands Kanzleien? Was tun sie, um Klima und Umwelt zu schützen und ihren ökologischen Fußabdruck im Arbeitsalltag so gut es geht zu reduzieren? Für den LTO-Minipodcast Klimaparagrafen haben wir dazu ein Stimmungsbild eingeholt und knapp 30 Kanzleien befragt, ob und wie sie in Sachen Klimaschutz kreativ werden.
Die erste Feststellung: Obwohl die meisten der Angefragten über professionell besetzte Pressestellen verfügen, hat nur knapp über die Hälfte überhaupt geantwortet. Das ist aus journalistischer Sicht zwar ein ordentliches Ergebnis, hinterlässt im Hinblick auf Klima- und Umweltschutz aber gleich ein Geschmäckle.
Bahnfahrten als Effizienzgewinn
Dafür fiel umso mehr ins Auge, wie ehrlich und ausführlich sich teilweise die Kanzleien äußerten, die sich gemeldet haben. So lautete eine unserer Fragen: Wie häufig nutzen die Kanzleimitarbeitenden auf innerdeutschen Dienstreisen das Flugzeug – wobei die Jahre 2020 und 2021 wegen der Pandemie als nicht-repräsentativ ausgeschlossen waren. So gab CMS an, dass der CO2-Fußabdruck der Kanzlei aus dem Jahr 2019 gezeigt habe, dass Flugreisen knapp ein Drittel ihrer gesamten Treibhausgasemissionen ausmachen – das will man nun ändern.
Dasselbe gilt für Arqis. Die Kanzlei arbeitet nach eigenen Angaben in Sachen Nachhaltigkeit mit einem externen Beraterteam zusammen und kennt ihren ökologischen Fußabdruck daher ziemlich genau. Auch dort habe man festgestellt, dass Flugreisen erheblich ins Gewicht fallen – inzwischen fahren fast alle Mitarbeitenden innerhalb Deutschlands mit der Bahn. Wenn das nicht möglich ist, würden Flüge kompensiert, ohnehin setze man grundsätzlich auf Online-Meetings. Eine interessante Erkenntnis liefert Arqis mit: Bahnfahrten werden als Effizienzgewinn wahrgenommen, schließlich könne man dort ungestörter arbeiten, als im Flugzeug. Hengeler Müller äußerte sich ähnlich.
Auch andere Kanzleien unterstützen aktiv, dass ihre Mitarbeitenden so klimafreundlich wie es geht für ihren Job unterwegs sein können. Ein attraktives Modell dabei: BahnCards, also Angebote der Bahn, je nach Ausführung einen Rabatt auf die Ticketpreise zu bekommen und nebenbei Prämienpunkte zu sammeln. So stellt etwa Gleiss Lutz seinen Mitarbeitenden eine BahnCard50 zur Verfügung – und zwar auch für den privaten Gebrauch. Die Mitarbeitenden können also auch in ihrer Freizeit die Flexpreise der Bahn zum halben Preis buchen.
Bei Luther unterstützt man es generell, wenn die Mitarbeitenden mit der Bahn, zu Fuß oder dem Fahrrad zur Arbeit kommen und gewährt einen finanziellen Zuschuss. Hogan Lovells will künftig ebenfalls die BahnCards seiner Mitarbeitenden zahlen – aber auch die Abokosten für den öffentlichen Nahverkehr.
Dienstwagen als Auslaufmodell
Hat das Modell Dienstwagen damit ausgedient? Zumindest in der Kanzleienwelt scheint das die überwiegende Stimmung zu sein. Die meisten Befragten gaben an, keine Dienstwagen anzubieten. Wenn doch, wird immer mehr auf Hybrid- und E-Fahrzeuge gesetzt: Bei CMS in 25 Prozent der Fälle und auch bei Advant Beiten ist das nach Angaben der Kanzlei mehrheitlich der Fall. Nicht nur dort setzt man inzwischen auch auf zwei Räder: Schalast, Hogan Lovells, Hengeler Müller, White Case und Heuking gaben an, ihren Mitarbeitenden Jobfahrräder zur Verfügung zu stellen.
Die Frage nach der Klimabilanz des täglichen Arbeitswegs stellt sich allerdings erst gar nicht, wenn man remote arbeiten darf – und zwar komplett. Das macht die auf das Versicherungsrecht spezialisierte Kanzlei NORDEN Rechtsanwälte so. Alle arbeiten von zu Hause aus – und wenn doch gereist werden muss, dann in erster Linie per ÖPNV.
Zuhause beziehen die Partner von NORDEN übrigens Ökostrom – und wenn Mitarbeitende das auch tun, bekommen sie einen Aufwendungsersatz dafür. Einfach und machbar – das scheint Ökostrom für die meisten der Kanzleien zu sein. Die deutliche Mehrzahl der befragten Kanzleien haben in Ihren Bürogebäuden darauf umgestellt und leisten so einen Beitrag zum Klimaschutz. Die meisten gaben außerdem an, dass ihre Bürogebäude energetisch auf dem neuesten Stand seien – und wenn nicht, schaue man sich bereits nach einer neuen Bleibe um.
"Fast alle Mandate enthalten ESG-Themen"
So weit zu den äußeren Bedingungen – aber wie sieht es inhaltlich in Sachen Nachhaltigkeit aus? Bei diesem Punkt zeigten sich einige Kanzleien zögerlich und ließen die Beantwortung aus. Umso beachtenswerter waren wiederum Antworten, die dann doch von ein paar Kanzleien zu vernehmen waren. So habe CMS bereits Mandate, deren wirtschaftlicher Hintergrund negative Auswirkungen auf Klima- und Umwelt hatte, abgelehnt.
Bei Hengeler Müller sei für diese Entscheidung jede:r einzelne Partner:in zuständig und Clifford Chance prüfe ebenfalls jedes neue Mandat auf wesentliche negative Auswirkungen auf den Klimawandel. Dort sei es im Übrigen auch so, dass inzwischen fast alle Mandate das Thema Environmental Social Governance einschließen, also die rechtliche Beratung in Bezug auf Nachhaltigkeit. Bei Schalast finden sich außerdem soziale Kriterien, anhand derer Mandate geprüft würden.
Und was ist nun mit dem Bio-Obstkorb? In der Tat zeigen die Antworten aller Kanzleien, dass sie sich Gedanken über die Nachhaltigkeit des Essens und Trinkens im Arbeitsalltag machen. So ist die Kanzlei Orbit eine von mehreren, die auch auf vegetarische und vegane Speisen achtet – und den Bio-Obstkorb findet man nicht nur bei GSK Stockmann und Advant Beiten.
Mehr zu Klima und Kanzleien sowie andere Themen zu Klima und Karriere gibt es zum Nachhören in der dritten Folge des LTO-Minipodcasts Klimaparagrafen. Unter anderem: Wie kann man sich bereits im Jurastudium im Klimaschutz engagieren? Weitere Artikel zum Thema außerdem im LTO-Dossier "Klima & Recht".
LTO-Podcast Klimaparagrafen: . In: Legal Tribune Online, 17.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51335 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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