Equity-Partner in Teilzeit: "Wer acht Stunden arbeitet, gilt als Min­der­leister"

Interview von Dr. Anja Hall

30.03.2017

2/2 Über Job-Sharing-Modelle nachdenken

LTO: Also keine Teilzeit-Partner im Bereich M&A?

Schön: Nun, man könnte in solchen Fällen auch über ein Job-Sharing-Modell nachdenken. Das heißt, man bräuchte eine zweite Person, die auch Teilzeit-Equity-Partner ist und mit der man sich die Position teilt.

LTO: In vielen Unternehmen geht das. Warum wird es in Kanzleien noch so selten gelebt?

Schön: Beim Job-Sharing ist der Teamgedanke wichtig. Es muss viel kommuniziert werden, und der Mandant muss unterschiedliche Ansprechpartner akzeptieren. Wer sich den Job teilt, sollte hochgradig kooperativ sein. Sicherlich nicht einfach umzusetzen, da in vielen Kanzleien das Konkurrenzdenken nach wie vor sehr stark ausgeprägt ist.

LTO: Häufig wird auch die Vergütungsstruktur als Hindernis für eine Teilzeitpartnerschaft genannt. Ist das tatsächlich ein Problem?

Schön: Meiner Meinung nach ist das ein vorgeschobenes Argument. In vielen Kanzleien erhalten die Partner einen Sockelbetrag und – je nach Leistung – über ein Punktesystem eine bestimmte Zusatzsumme. Es ist für mich schwer vorstellbar, warum man den Sockel nicht mit beispielsweise 60 oder 70 Prozent bepreisen und entsprechend auch die Punkte anpassen könnte. Dazu müsste eine Kanzlei natürlich ihr Vergütungssystem überarbeiten. Möglicherweise scheut man davor zurück.

"Die Position stellt das Rollenverständnis in Frage"

LTO: Insgesamt klingt es so, als gäbe es aus Kanzlei-Sicht mehr Argumente gegen die Teilzeit-Partnerschaft als dafür. Haben Sie eine Erklärung für diese ablehnende Haltung?

Schön: Die Position des Teilzeit-Partners stellt das Rollenverständnis in den Kanzleien in Frage. Derzeit herrscht die Denkweise vor: "Wer Equity-Partner werden will, muss sich anstrengen und 120 Prozent Leistung bringen. Wer das nicht will, kann ja Counsel bleiben oder sich eine andere Position suchen." Wenn die Partnerschaft einer Kanzlei überlegt, den Equity-Partner-Status auch Teilzeit-Mitarbeitern zu ermöglichen, sollte sie zunächst klären, wie sie die anderen Rollen, u.a. auch des Counsel, versteht.

LTO: Wie könnte das konkret aussehen?

Schön: Letztlich muss es darum gehen, die Rollen-Modelle in der Sozietät neu zu definieren. Die Leitfrage bei solchen Überlegungen sollte lauten: Was soll mit der Teilzeit-Partnerschaft eigentlich gefördert werden? Geht es nur um Frauenförderung? Oder will man vielleicht den unternehmerischen Spirit auch von denjenigen Mitarbeitern einfangen, die nicht in Vollzeit arbeiten möchten? Und wo könnte der Mehrwert für beide Seiten liegen?

Die Partner müssen sich grundsätzlich überlegen, ob es in der Sozietät einen Gesellschafter geben kann, der unternehmerisch engagiert ist, sich für die Entwicklung der Kanzlei einsetzt, der akquiriert, strategische Mitverantwortung trägt – und der dennoch in Teilzeit arbeitet.

Die Volljuristin Carmen Schön berät seit vielen Jahren Rechtsanwälte, Unternehmensjuristen und Wirtschaftskanzleien bei Fragen zur strategischen Ausrichtung, Positionierung im Markt, Akquise und Ausbau von Mandanten sowie Führung von Mitarbeitern.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Equity-Partner in Teilzeit: . In: Legal Tribune Online, 30.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22526 (abgerufen am: 13.11.2024 )

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