Equity-Partner in Teilzeit: "Wer acht Stunden arbeitet, gilt als Min­der­leister"

Interview von Dr. Anja Hall

30.03.2017

Viele Associates wünschen es sich: Equity-Partner werden und trotzdem in Teilzeit arbeiten. Für die meisten Kanzleien ist das aber nach wie vor schwer vorstellbar. Denn es widerspricht ihrem Credo: Nur wer viel arbeitet, leistet auch viel.

LTO: Frau Schön, was glauben Sie: Warum tun sich viele Kanzleien so schwer damit, Equity-Partnern auch Teilzeitarbeit zu ermöglichen?

Carmen Schön: Oftmals wird von den Kanzleien angeführt, dass es dem eigentlichen Geschäftsmodell einer Kanzlei widersprechen würde. Ob das so ist, könnte hinterfragt werden. Ich denke eher, dass es eine Frage der Kanzleikultur ist. Eine Teilzeit-Equity-Partnerschaft bedeutet ja letztlich, dass jemand ein Teilzeit-Gesellschafter der Sozietät ist. Ich erlebe, dass so etwas bei vielen Kanzleien nicht im Fokus steht.

LTO: Warum nicht?

Schön: Ein Teilzeit-Partner ist im Wertesystem vieler Kanzleien undenkbar und soll auch nicht mit dem vorhandenen Kanzleimodell und dem Mandantenanspruch an einen Partner vereinbar sein.  Der Partner soll "Voll"-Unternehmer sein. Wer acht Stunden arbeitet, gilt ja vielerorts immer noch als Minderleister. Obwohl viele Equitypartner im persönlichen Gespräch durchaus zugeben, dass sie sich mehr Zeit für ihr Privatleben wünschen, ist der Begriff "Freizeit" nach wie vor negativ konnotiert.

LTO: Besonders zeitgemäß klingt das aber nicht…

Schön: Ob zeitgemäß oder nicht - wenn eine Kanzlei die Notwendigkeit für Teilzeit-Equity-Partner nicht sieht, braucht man sich als Anwalt oder Anwältin eigentlich auch nicht darum bemühen. Denn einen Kultur- und Wertewandel in einer Kanzlei anzustoßen, braucht Zeit und vor allem Macht bzw. Einfluss. Mittelfristig werden Kanzleien, die diese Möglichkeit nicht anbieten, sicherlich als Arbeitgeber sich die Frage stellen lassen müssen, ob Sie noch zeitgemäße Karrieremodelle anbieten. Spätestens dann sollten sie über eine Einführung nachdenken.

Die Frage ist aber auch, welche Idee hinter der Teilzeit-Partnerschaft steht. Meist hat sie das Ziel, Frauen die Vereinbarkeit von Karriere und Kind zu ermöglichen. Damit will man ihnen die Chance geben, mit den Männern gleichzuziehen. Das kann Frauen natürlich ansprechen, es ist meiner Meinung nach aber zu kurz gegriffen. Die Teilzeitpartnerschaft sollte auch Frauen ohne Kinder offenstehen und auch Männern, die zugunsten der Familie oder aus anderen Gründen weniger arbeiten wollen.

"Gut überlegen, ob man um die Teilzeit-Partnerschaft kämpfen will"

LTO: Was raten Sie Anwälten, die in Teilzeit arbeiten und zugleich Vollpartner werden möchten?

Schön: Sie sollten zuerst klären, ob die Teilzeit-Partnerschaft in ihrer Kanzlei überhaupt denkbar ist und ob es bei den Entscheidungsträgern das Verständnis dafür gibt. Wenn nicht, dann müssen sie sich gut überlegen, ob sie dafür kämpfen wollen. Management-Entscheidungen dauern lange. Und auch wenn sich eine Kanzlei grundsätzlich dafür entschieden hat, kann es wiederum lange dauern, bis der erste Teilzeit-Partner ernannt wird.

Ein Anwalt, eine Anwältin sollte sich zudem gut überlegen, mit welcher Begründung sie über eine Teilzeit-Partnerschaft spricht. Klassischerweise werden Weiter- oder Fortbildungspläne, wenn jemand seine kranken Eltern pflegen oder mehr Zeit für die Kindererziehung möchte, als Gründe akzeptiert. Wer sein "Ego" pflegen will, also mehr Freizeit möchte um seinen Hobbies nachzugehen, wird sich wohl nur schwer durchsetzen.

LTO: Gibt es Beratungsfelder, in denen Teilzeit-Partner leichter vorstellbar sind als in anderen Bereichen?

Schön: Wenn eine Kanzlei international berät und Transaktionen, etwa über mehrere Zeitzonen hinweg, koordiniert werden müssen, ist eine Teilzeit-Partnerschaft meiner Meinung nach kaum denkbar. Der Partner muss hier in Stoßzeiten komplett verfügbar sein.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Equity-Partner in Teilzeit: . In: Legal Tribune Online, 30.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22526 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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