Digitalisierung in der Rechtsabteilung und Legal Tech waren die dominierenden Themen beim diesjährigen Kongress der Unternehmensjuristen in Berlin. Etwas zu kurz kamen dagegen andere, ebenso aktuelle Fragestellungen.
Manch einer kann es wohl schon nicht mehr hören. Und dennoch: Digitalisierung war das dominierende Thema des siebten Unternehmensjuristen-Kongresses, der vergangene Woche in Berlin stattgefunden hat.
Schon in seiner Begrüßung führte Götz Kaßmann, der Präsident des Bundes der Unternehmensjuristen (BUJ), den Syndizi vor Augen, dass sich Legal-Tech-Anwendungen im Verbraucherbereich schon gut etabliert hätten - Stichwort Flightright. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie sich auch im Geschäftsbereich zwischen Unternehmen durchsetzen würden. Und das sei auch willkommen, denn Legal Technology könne neue Lösungsansätze für den Zeit- und Kostendruck liefern, unter dem die Rechtsabteilungen zunehmend stünden, sagte Kaßmann.
Arne Schönbohm: "Cyber ist nicht immer gut und nett"
Bevor jedoch allzu viel Technik-Euphorie aufkommen konnte, wurde sie schon wieder gedämpft. Arne Schönbohm, der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), führte den Zuschauern vor Augen, dass die Digitalisierung auch Risiken birgt. Den Umgang damit dürften die Unternehmen nicht einfach den IT-Fachleuten überlassen, betonte er. Cybersicherheit gehöre zum Risikomanagement - und liege damit auch im Verantwortungsbereich von Unternehmensjuristen.
"Cyber ist nicht immer gut und nett, es ist schwerste Kriminalität", sagte Schönbohm und räumte mit dem verbreiteten Klischee vom Hacker, der Pizza essend im Keller sitzt und sich mehr oder weniger aus sportlichem Ehrgeiz in ein Unternehmen einhackt, auf. Hinter Hackerangriffen stünden häufig Schwerkriminelle, betonte er.
Weitere Vorträge und Diskussionsrunden drehten sich darum, wie Unternehmensjuristen die digitale Transformation im Unternehmen begleiten können. Es ging um datenbasiertes Legal Spend Management oder um die Blockchain und agiles Arbeiten in der Rechtsabteilung. Prof. Dr. Dieter Kempf, der Präsident des Bundesverbands Deutscher Industrie, sprach von den „Chancen der Digitalisierung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Und der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hielt seine Abschluss-Keynote zum Thema "Deutschland in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung".
BUJ entwickelt Lehrgang zum "Digitalen Syndikus"
Der BUJ hat sich zum Ziel gesetzt, seine Mitglieder für dieses Zukunftsthema fit zu machen. Die Fachgruppe Digitalisierung, die erst seit einem Jahr besteht, hat mit einem Team unter Leitung von Olaf Vogel, Leiter Recht bei T-System, einen fünftägigen Lehrgang zum "Digitalen Syndikus" entwickelt. Es ist der erste Zertifikatslehrgang, den der BUJ anbietet. Im Sommer dieses Jahres wird die Premiere sein.
Ziel der Fortbildung ist es, den Teilnehmern zum einen Grundlagen der Digitalisierung und Informatik nahezubringen und ihnen ein Basiswissen zu Themen wie Datensicherheit, Cloud-Computing, Smart Contracts, Blockchain und Künstliche Intelligenz zu vermitteln, berichten Olaf Vogel und der Leiter der Fachgruppe Digitalisierung Jörg Volcke. Auch Programmiersprachen stehen auf dem Lehrplan, die Teilnehmer sollen sogar ein kleines Programm schreiben - um sich ein "Erfolgserlebnis" zu verschaffen, wie Vogel und Volcke sagen.
In einem zweiten Block geht es um die juristischen Fragestellungen, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung entstehen. Referenten sind sowohl Inhouse-Juristen als auch Anwälte aus Kanzleien wie CMS und Osborne Clarke. Wie zu hören war, sei der Lehrgang schon kurz nach seiner Ankündigung recht gut gebucht. Wenig verwunderlich: Denn es werden maximal 30 Teilnehmer zugelassen - und der BUJ hat insgesamt 2.500 Mitglieder.
Studien zur Innovation und zur Verbreitung von Legal Tech
Dass sich Syndizi mit der Digitalisierung befassen müssen, ist wohl unstreitig. Nicht zuletzt, weil sie inzwischen früher und intensiver in Innovationsprozesse ihrer Unternehmen eingebunden werden, wie die Studie "Legal Management of Innovation" zeigt, die der BUJ gemeinsam mit der Kanzlei CMS durchgeführt hat. Teilgenommen haben 210 Rechtsabteilungen. "Die Befragungen haben außerdem gezeigt, dass die Rechtsabteilungen durch stärkere Spezialisierung und Standardisierung von Prozessen mittels Legal Tech wesentlich zum Innovationserfolg beitragen können", sagt CMS-Partner und Co-Autor der Studie Dr. Jörg Zätzsch.
Allerdings hat eine weitere Studie, die ebenfalls auf dem Kongress präsentiert wurde, ergeben, dass die meisten Unternehmensjuristen auch eine gehörige Skepsis gegenüber der Digitalisierung ihrer eigenen Abteilung durch Legal Technology haben. Legal Tech werde momentan eher als Bedrohung denn als Chance gesehen, konstatierte Prof. Dr. Peter Körner, der die Studie als Director von Corporate Legal Insights verantwortete. Als bedrohlich wird vor allem der Verlust von Arbeitsplätzen gesehen, zudem sehen die befragten General Counsel Fragen der IT-Sicherheit kritisch. Auch gibt es die Furcht, dass auf Basis der Legal-Tech-Services Fehlentscheidungen getroffen werden.
Aufregerthema beA
Ein weiteres Thema war auf dem Kongress in aller Munde, sei es beim Plausch während der Kaffeepause oder in den Vorträgen: das besondere elektronische Anwaltspostfach beA. Letztlich auch ein Digitalisierungsprojekt, wenn auch eher "ein Musterbeispiel, wie es nicht sein sollte", so BSI-Präsident Schönbohm. Er berichtete, dass seine Behörde die BRAK bei der Umsetzung gerne unterstützt hätte, allerdings von ihr nicht in die Expertenrunde gebeten wurde.
Ähnliches war auch dem BUJ widerfahren. Kaßmann drückte sein Unverständnis darüber aus, dass der BUJ zwar seine Hilfe angeboten hätte – schließlich habe man sachkundige Mitglieder aus großen IT-Unternehmen in den Reihen - aber ebenfalls nicht gehört wurde. Julia von Seltmann, die Geschäftsführerin der BRAK, berichtete am zweiten Kongresstag über aktuelle Entwicklungen beim beA, konnte jedoch noch keinen Termin nennen, wann das Postfach live gehen wird.
Zweifellos, die Digitalisierung in all ihren Facetten ist wichtig und beschäftigt die Unternehmensjuristen. Doch auch andere Fragestellungen sind nicht minder zentral für die Syndizi: Etwa die EU-DSGVO oder was sich in punkto Sammelklagen tut, wie mit Compliance-Risiken umzugehen ist und nicht zuletzt die spannende und hochaktuelle Frage, was die Inhouse-Juristen zum Thema Ethik und Moral in ihrem Unternehmen beisteuern können.
Diese und weitere Fragestellungen wurden auf dem BUJ-Kongress zwar auch behandelt. Aber sie waren im Vergleich zur omnipräsenten Digitalisierungsdebatte deutlich unterrepräsentiert. Dabei prägen sie mindestens ebenso sehr das Berufsbild und Selbstverständnis der Unternehmensjuristen.
Anja Hall, Unternehmensjuristen-Kongress des BUJ: . In: Legal Tribune Online, 05.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26867 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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