Es wird ungemütlich für Volkswagen und die anderen Pkw-Hersteller im Dieselskandal: Österreichs Verbraucherschützer starten Sammelklagen - und in Deutschland wollen Logistikverbände Schadensersatzansprüche ihrer Mitglieder geltend machen.
Ungewöhnlicher Schritt in Österreich: Das Sozialministerium und die Bundesarbeitskammer wollen mit Sammelklagen gegen Volkswagen vorgehen. Die Verbraucherschutzorganisation Verein für Konsumenteninformation (VKI) wurde deshalb damit beauftragt, an 16 Gerichten gegen den Autobauer zu klagen.
"Es kann nicht sein, dass vorsätzliche Manipulationen in diesem Ausmaß ohne Folgen bleiben und österreichische Konsumenten auf ihrem Schaden sitzen bleiben", sagt Thomas Hirmke, Leiter des Bereichs Recht im VKI. Allerdings sei Volkswagen für VW-Kunden und sogar für den VKI "ein sehr mächtiger Gegner", fügt Arndt Eversberg, Vorstand der Roland Prozessfinanzierung hinzu. Der Geldgeber kooperiert bei den Sammelklagen mit dem VKI. Man wolle es österreichischen VW-Käufern so ermöglichen, ihre Schadensersatzansprüche zu realisieren, ohne selbst das finanzielle Risiko einzugehen.
Er gehe davon aus, dass VW die Kunden mit mindestens 20 Prozent des Kaufpreises der Fahrzeuge entschädigen muss, sagt Eversberg weiter. Es wird mit bis zu 15.000 Klägern und Schadensersatzansprüchen von 83 Millionen Euro gerechnet.
VKI und Roland haben schon zuvor bei Sammelklagen gegen die Bank Hypo Steiermark und die Österreichtochter des Hamburger Emissionshauses MPC wegen Falschberatung von Fondsanlegern kooperiert.
Deutsche Unternehmerverbände setzen auf Myright und Hausfeld
In Deutschland gibt es die Möglichkeit der Sammelklagen zwar bisher nicht. Allerdings formieren sich auch hier gewichtige Klägergruppen. Vier große Logistikverbände mit 12.000 Mitgliedsunternehmen haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen die Hersteller manipulierter Diesel-Fahrzeuge vorzugehen.
Die "Verbandslösung im Diesel-Skandal" beinhaltet nach Informationen eines der Verbände, des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), im Wesentlichen eine Zusammenarbeit mit dem Rechtsdienstleister Myright, der Kanzlei Hausfeld und dem Prozessfinanzierer Burford Capital. So sollen die Schadensersatzansprüche gegen die Hersteller gebündelt und auf Augenhöhe verhandelt werden. Wie auch in Österreich müssen die Anspruchsteller kein eigenes finanzielles Risiko gehen.
Es sei das erste Mal, dass Unternehmerverbände gegen die Hersteller manipulierter Diesel-Pkw vorgehen, so der BGL. Der Verband hat schon einmal mit Myright, Hausfeld und Burford Capital zusammengearbeitet, nämlich als der BGL gegen das Lkw-Kartell auf Schadensersatz klagte. Die Klageaussichten im Diesel-Skandal bewertet der BGL als gut, da in bereits in über einhundert Fällen deutsche Gerichte zugunsten der Käufer entschieden hätten.
Musterfeststellungsklage soll im November kommen
Noch ungemütlicher könnte es für die Diesel-Hersteller werden, wenn die Musterfeststellungsklage wie geplant ab 1. November dieses Jahres als weiteres Klageinstrument zur Verfügung steht. Die Regierungsparteien Union und SPD hatten vereinbart, dass die neue Klageart bis zu diesem Zeitpunkt realisiert sein soll, damit angesichts drohender Verjährungen auch Betroffene des Skandals um Abgasmanipulationen bei VW-Diesel-Fahrzeugen noch davon Gebrauch machen können.
Konkret sollen Musterfeststellungsklagen dann möglich sein, wenn mindestens zehn Verbraucher ihre Betroffenheit glaubhaft machen und binnen zwei Monaten 50 weitere sich in einem Register anmelden. Klagebefugt sollen nur "qualifizierte Einrichtungen" sein, also zum Beispiel Verbraucherverbände. Sie könnten dann in Musterprozessen strittige Fragen grundsätzlich klären, danach müsste jeder Verbraucher seine konkreten Ansprüche in einem individuellen Prozess geltend machen.
SPD und CDU werfen sich gegenseitig Blockade vor
Allerdings gestaltet sich die Ressortabstimmung zum Gesetzentwurf schwierig. Die SPD wirft der Union Blockade vor. "Bei der Frage der Klagebefugnis mauert die Union und bringt den Zeitplan in Gefahr", sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, dem Handelsblatt. Für den überraschenden Diskussionsbedarf der unionsgeführten Ressorts habe er nach den detaillierten Vereinbarungen in den Koalitionsverhandlungen kein Verständnis.
Die Union möchte hingegen genauer klären, wer bald klagen dürfen soll. Die Klagebefugnis müsse deutlich enger gefasst werden, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, der dpa. "Uns ist es wichtig, weder großen Kanzleien noch Verbänden mit dem Geschäftsmodell Abmahnungen ein neues Betätigungsfeld zu ermöglichen." Sie warf wiederum dem zuständigen, von der SPD geführten Justizministerium vor, in der Frage zu bremsen, weil es sich hier nicht bewege. Zu dem vereinbarten Zeitplan stehe die Union.
Auch das Justizmininisterium hält weiter an dem Zeitplan fest. Demnach soll das Vorhaben eigentlich noch im April im Kabinett beschlossen werden.
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Deutsche und österreichische Klagen nach dem Dieselgate: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28157 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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