Bundesrichterwahlen: Politik bestimmt Justiz

Von Dr. Frauke Rödel

13.03.2019

Am Donnerstag werden 22 neue Richter an die Bundesgerichte gewählt, 18 davon an den BGH. Welche Kandidaten gewinnen, bestimmt die Politik bereits im Vorfeld. Die Auswahlkriterien dafür bleiben undurchsichtig.

Es ist wieder so weit: Am Donnerstag kommt der Richterwahlausschuss zusammen und bestimmt, wer demnächst die rote Robe tragen wird. 18 neue Richter bekommt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe und Leipzig. Denn dort werden gleich zwei neue Senate errichtet. Drei weitere neue Richter werden an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gewählt, ein Richter an den Bundesfinanzhof in München.

Gewählt werden die Richter vom Richterwahlausschuss in geheimer Mehrheitsabstimmung. In diesem Gremium sitzen die 16 Justizminister der Länder sowie 16 weitere vom Bundestag gewählte Mitglieder. Sie entscheiden, wer als Richter an die obersten deutschen Gerichtshöfe kommt. Für die Wahl zum Bundesverfassungsrichter gilt ein anderes Verfahren.

Der Richterwahlausschuss wird vom Bundesjustizminister einberufen. Bereits etwa sechs Monate vor dem Wahltermin müssen Minister und Wahlausschuss geeignete Kandidaten vorschlagen. Da laufen dann überall die Leitungen heiß: Die Präsidenten der Oberlandesgerichte und Bundesgerichte weisen auf geeignete Kandidaten hin und die Politik mischt kräftig mit, um für die Parteikollegen die begehrten Posten zu bekommen. Der Richterwahlausschuss als pluralistisches Organ muss dann am Ende die Wahl treffen, die Bundesjustizministerin zustimmen.

Bundesrichter kann jeder Deutsche werden, der das 35. Lebensjahr vollendet hat und die Befähigung zum Richteramt besitzt. Der BGH weist auf seiner Homepage zusätzlich darauf hin, dass neben den besonderen fachlichen und persönlichen Qualifikationen die föderale Zugehörigkeit der Kandidaten ein Wahlkriterium ist. Alle Bundesländer sollen bei den Gerichtshöfen des Bundes entsprechend ihrer Bevölkerungszahl vertreten sein. Die Ernennung erfolgt auf Lebenszeit.

Ist die Bundesrichterwahl also ein demokratisches Verfahren, bei dem unabhängig entschieden wird? Und lediglich die gute Leistung zählt? Auch wenn niemand an der fachlichen Qualifikation der gewählten Juristen zweifelt, ist das wohl eher die Wunschvorstellung. Das Verfahren wird seit jeher kritisiert.

BVerfG: Der Grundsatz der Bestenauslese gilt auch für Bundesrichter, aber …

Immer wieder wird die fehlende Transparenz bemängelt. Die Entscheidungskriterien bleiben im Dunkeln und manch ein Kandidat wird sein Scheitern nicht nachvollziehen können. Die Vorgeschlagenen müssen ein Auswahlverfahren durchlaufen, das als schwierig gilt.

Der Präsidialrat des jeweiligen Bundesgerichtes gibt nämlich eine Stellungnahme zur persönlichen und fachlichen Eignung jedes Bewerbers ab. Dieser Rat ist ein internes Gremium am Gericht, das die bisherige Arbeit der Kandidaten prüft und mit ihnen im Vorfeld der Wahl intensive Gespräche führt. An die jeweilige Empfehlung des Präsidialrates ist der Richterwahlausschuss jedoch nicht gebunden. Was aber die beiden Gremien letztlich überzeugt und ob es überhaupt ein objektives Anforderungsprofil gibt, bleibt hinter verschlossenen Türen. Der Wahlausschuss muss seine Entscheidung nicht begründen.

Das Richterwahlgesetz schreibt allein vor, dass der Richterwahlausschuss prüft, ob der für ein Amt Vorgeschlagene die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen hierfür besitzt. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits im September 2016 entschieden, dass auch die Berufung von Richtern an die obersten Gerichtshöfe des Bundes an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen ist (BVerfG, Beschluss v. 20.09.2016, Az. 2 BvR 2453/15). Damit muss auch hier der für Beamte geltende Grundsatz der sogenannten Bestenauslese beachtet werden. Wirklich fassbare und konkrete Kriterien sind jedoch auch durch diese Entscheidung für die Richterwahl nicht entstanden. Zugleich hat das BVerfG nämlich auch klargestellt, dass durch das im Grundgesetz vorgegebene Wahlverfahren Modifikationen gegenüber rein exekutivischen Auswahl- und Beförderungsentscheidungen vorgegeben seien. Eine strikte Bindung allein an den Grundsatz der Bestenauslese würde die Wahlfreiheit der Ausschussmitglieder außer Acht lassen.

Man bleibt unter sich

In der Vergangenheit häuften sich die Konkurrentenklagen nach der Auswahl der Richter. Dies führte im Jahr 2016 sogar zu einer Gesetzesinitiative der Grünen, die eine Reform des Auswahlverfahrens forderte. Problematisch sei laut Kritikern auch, dass keine Initiativbewerbung für das Amt eines Bundesrichters möglich sei. Hier gibt es jedoch auf Länderebene erste Veränderungen. In Hamburg und Schleswig-Holstein können Richter mittlerweile selbst ihr Interesse am Amt signalisieren. Aber auch bei der Wahl von Richtern auf Landesebene fehlt es bisher noch an länderübergreifenden einheitlichen Kriterien.

Hinzu kommt, dass bessere Chancen hat, wer auch bisher als Richter und nicht etwa als Anwalt tätig war. Der Bundesgerichtshof selbst verweist auf seiner Homepage auf den Umstand, dass die Kandidaten überwiegend aus dem Justizdienst der Länder stammen. Auch daran ist in der Vergangenheit bereits Kritik geübt worden: Andere Berufsgruppen müssten bei der Bundesrichterwahl stärker berücksichtigt werden, BGH-Richter Prof. Dr. Andreas Mosbacher wünscht sich ausdrücklich mehr Strafverteidiger als Bundesrichterkollegen.

Als weiteres Manko des bestehenden Systems wird die mangelnde Repräsentanz von Frauen kritisiert. Die Vorschlagslisten für die Bundesrichter müssen nicht paritätisch besetzt sein. Auch wenn mit Bettina Limperg mittlerweile erstmalig eine Frau dem BGH vorsteht, sind an den Bundesgerichten doch weiterhin mehr Männer als Frauen im Richteramt beschäftigt. Auch im Richterwahlausschuss selbst sind mehr Männer als Frauen vertreten. Es könnte einen Zusammenhang geben.

Die Idee: Richterwahlausschuss statt bürokratischer Ernennung

Noch eine Besonderheit des bestehenden Systems: Am Ende fällt die Wahl auch mal einstimmig aus. So wird es auch in dieser Woche erwartet. Im Richterwahlausschuss wird nämlich noch in trauter Zweisamkeit von CDU und SPD wie zu besten Zeiten der großen Koalition entschieden. Da ist bereits untereinander ausgemacht worden, wer gewählt wird und die eigentliche Abstimmung nur noch Formsache. Klar ist zwar, dass die Politik Einfluss hat und diesen auch ausübt. Allerdings haben FDP, Grüne, die Linke und die AfD trotz ihrer Sitze im Parlament bei der Richterwahl kein allzu großes Mitspracherecht.

Wer keiner der beiden großen Parteien nahe steht, hat als Kandidat weniger Chancen. Trotz dieses immensen Politikeinflusses gibt es keine offiziellen Statistiken zur Parteizugehörigkeit der Bundesrichter. Die Justiz gibt sich gern politikfern. In anderen EU-Staaten wie Frankreich, Spanien, Norwegen, Dänemark und den Niederlanden entscheidet eine von der Exekutive unabhängige Behörde über die Ernennung der obersten Richter. Auch in Deutschland gab es solche Forderungen bereits, bisher jedoch ohne Ergebnis. Zwar schicken, anderes behaupten auch Kritiker nicht, die Politiker keine unfähigen Kandidaten ins Rennen, sondern stets kompetente Juristen. Gleichwohl bleibt ein Beigeschmack.  

Dabei wurde der Richterwahlausschuss einst geschaffen, um der Justiz "wieder eine gewisse Vertrauensbasis" zu schaffen, wie aus den Beratungen des Parlamentarischen Rates zum Grundgesetz hervorgeht. Das könne nicht durch eine "bürokratische Ernennung" erreicht werden, hieß es damals. Eine so starke Politisierung der Wahl wie heute dürfte jedoch auch nicht das angestrebte Leitbild gewesen sein. Und bislang sieht es nicht danach aus, als ob sich daran in näherer Zukunft etwas ändern wird.

Zitiervorschlag

Bundesrichterwahlen: . In: Legal Tribune Online, 13.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34355 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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