NRV kritisiert NRW-Justizminister scharf: "Keinen Mumm, die Unab­hän­gig­keit der Gerichte zu ver­tei­digen"

10.08.2018

Die Neue Richtervereinigung hat NRWs Justizminister Peter Biesenbach (CDU) für sein Verhalten im Fall Sami A. kritisiert. In einem Statement fordern die Richter den Minister auf, sich hinter das entscheidende VG Gelsenkirchen zu stellen.

Die Neue Richtervereinigung (NRV) kritisiert in einer Mitteilung das Verhalten von NRWs Justizminister Peter Biesenbach (CDU) im Fall Sami A. scharf. Er hülle sich in Schweigen und überlasse das wegen seiner Entscheidung in die Kritik geratene Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen allein den wutentbrannten Anfeindungen.

Biesenbach solle sich stattdessen vor die Gelsenkirchener Verwaltungsrichter stellen und die Entscheidung vermitteln statt abzutauchen. Menschenrechte stünden auch Straftätern zu, die Relativierung dieser unverhandelbaren Rechte stelle den Rechtsstaat in Frage, so die NRV.

"Es geht nicht an, dass unabhängige Gerichte von einem Justizminister vertreten werden, der nicht den Mumm hat, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen – sei es in der Öffentlichkeit, sei es am Kabinettstisch", so die Vereinigung in ihrer Mitteilung. Die beteiligten Behörden würden die Entscheidungen unabhängiger Gerichte lieber ignorieren statt zu befolgen.

Lobende Worte gab es von der NRV für Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). Wenigstens sie habe umgehend klargestellt, dass Behörden sich nicht aussuchen können, welchen Richterspruch sie befolgen, weil die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz nicht verhandelbar ist.

VG wegen seiner Entscheidung im Shitstorm

Der Fall des zu Unrecht abgeschobenen Islamisten Sami A. beherrscht seit Wochen die Schlagzeilen. Der mutmaßliche Ex-Leibwächter des 2011 getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden war am 13. Juli aus Deutschland abgeschoben worden. Am Abend zuvor hatte das VG Gelsenkirchen den Beschluss gefasst, dass die Abschiebungsverbote weiter Bestand haben, die Entscheidung kam beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) jedoch erst an, als das Flugzeug mit Sami A. aus Düsseldorf schon Richtung Tunis in der Luft war.

Das VG ordnete darauf hin an, dass die Abschiebung des Tunesiers rückgängig gemacht werden müsse. Die Abschiebung sei "grob rechtswidrig" und "verletze grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien", so das VG. Sami A. befindet sich derweil immer noch in Tunesien. Mittlerweile hat das VG ein Zwangsgeld von 10.000 Euro gegen die Stadt Bochum festgesetzt. Das Gericht warf der Stadt vor, sie habe weiterhin nicht ausreichend geprüft, ob Sami A. nach Deutschland zurückgeholt werden könne.

Der Fall löste eine Debatte über den Rechtsstaat aus. Bei vielen stieß die Entscheidung des VG auf Unverständnis, es brach ein Shitstorm über dem VG herein.

acr/LTO-Redaktion

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NRV kritisiert NRW-Justizminister scharf: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30281 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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