LG Rostock zur Rechtsbeugung: Amts­richter ließ zahl­reiche Ver­fahren ver­jähren

15.11.2019

Obwohl er 816 Verkehrsdelikte unbearbeitet verjähren ließ, ist ein Amtsrichter aus Güstrow vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen worden.

Das Landgericht (LG) Rostock hat einen früheren Richter am Amtsgericht (AG) Güstrow vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen. Das Gericht sah es am Donnerstag als nicht erwiesen an, dass der angeklagte Jurist absichtlich zwischen 2013 und 2015 insgesamt 816 Ordnungswidrigkeitsverfahren so lange nicht bearbeitete, bis er sie wegen Verjährung einstellen konnte.

Der 58 Jahre alte Angeklagte, der 2018 krankheitsbedingt pensioniert wurde, hatte ausgesagt, er habe das von ihm erwartete Pensum nicht schaffen können. Sein Verteidiger hatte einen Freispruch beantragt. Die Staatsanwaltschaft sah am Ende des Prozesses die Vorwürfe als bestätigt an und hatte 18 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung beantragt. Sie hatte dem Amtsrichter vorgeworfen, er habe sich Arbeit ersparen wollen. Nach Erkenntnissen der Ermittler blieb der Richter regelmäßig an zwei Tagen in der Woche dem Gericht fern und arbeitete auch zuhause nicht, um mehr Freizeit zu haben.

Der angeklagte Jurist sei wegen seiner beschränkten individuellen Fähigkeiten und wegen einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen, das von ihm verlangte Pensum an Fällen abzuarbeiten, urteilte dagegen das LG. Objektiv habe der Angeklagte zwar den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt, denn er sortierte nach Erkenntnis des Gerichts regelmäßig ohne eine detaillierte Prüfung der Akten Verfahren kurz vor der Verjährung aus, weil er der Meinung war, keine Kapazitäten dafür zu haben. Kurz nach der Verjährungsfrist sechs Monate nach Eingang beim Gericht habe er die Verfahren dann eingestellt.

Dienstherr wusste von Überlastung

Es gebe allerdings keine Belege, dass der Angeklagte nicht bereit war zu arbeiten, befand das LG indes. Subjektiv sei der Angeklagte nicht in der Lage gewesen, das Pensum zu schaffen. Einerseits sei am AG Güstrow bekannt gewesen, dass der Jurist nur eingeschränkt in der Lage war, wie andere Richter ein gewisses Pensum abzuarbeiten. Andererseits sei der Amtsrichter 2008 psychisch erkrankt, wovon er sich nie wieder erholt habe. Das sei amtsärztlich bestätigt worden.

Die Strafkammer wies in ihrer Urteilsbegründung darauf hin, dass dem Dienstherrn des AG die Situation bewusst gewesen sei. Der angeklagte Amtsrichter habe in zahlreichen Schreiben an das vorgesetzte LG Rostock wie auch an das Justizministerium in Schwerin seine Überlastung immer wieder angezeigt. Auch der Gesundheitszustand sei den Vorgesetzten bewusst gewesen. Dem Dienstherrn hätte es oblegen, Abhilfe zu schaffen, erklärte das LG.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG Rostock zur Rechtsbeugung: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38731 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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